Es gibt Sätze, denen schwingt gewisse Allgemeingültigkeit mit. Eine dieser Behauptungen, die man in Diskussionen gerade gerne hört: "Für die Staatskasse ist die hohe Inflation auf alle Fälle ein Glücksfall."

Aber stimmt das? Eine nach unterschiedlichen Kennzahlen und Stichworten gegliederte Spurensuche.

INFLATION. Nun, beginnen wir diese Geschichte im Jahr 2022. Die Preise zogen in Österreich so stark wie seit den 1970er-Jahren nicht mehr an, am Ende des Jahres stand eine durchschnittliche Inflation von 8,6 Prozent. Tatsächlich ließ das die Einnahmen der öffentlichen Hand sprudeln. Weil die Produkte teurer wurden, wuchs die abgeführte Mehrwertsteuer rasant. Weil zugleich die Beschäftigung zunahm und die Löhne stiegen, legten auch Lohn- und Einkommensteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge deutlich zu. Von "sechs Milliarden Euro an Mehreinnahmen", die primär auf die hohe Inflation zurückzuführen seien, sprach die Denkfabrik Agenda Austria am Ende des Jahres. 

STAATSSCHULDENQUOTE. Während die Steuereinnahmen im Vorjahr also stark anstiegen, sank die Staatsschuldenquote deutlich. Ein weiterer Vorteil für den Staat. Schon 2022 ging die Quote um vier Prozentpunkte auf 78,4 Prozent zurück. Berechnet wird sie aus dem Verhältnis von angehäuften Staatsschulden und Wirtschaftsleistung, also dem nominalen BIP. Und dieses steigt in Inflationszeiten für gewöhnlich im Einklang mit den Marktpreisen. Auch 2023 wird Österreichs Schuldenquote wohl sinken. Wenn auch nicht mehr so stark wie im Vorjahr.

Was uns auf direktem Wege ins heurige Jahr bringt. Und zu einer spannenden Situation. Denn: "Es kippt jetzt", sagt Wifo-Ökonom Simon Loretz im Gespräch. Was der Budget-Experte damit meint?

UMSATZSTEUER UND LOHNSTEUER. Zwar liegen die Umsatzsteuereinnahmen nach aktuellsten Zahlen abermals um knapp 13,6 Prozent über dem Vorjahr, anderswo ist die Situation für den Finanzminister bereits nicht mehr so rosig. Zu wirken beginnt etwa der Effekt der mit Jahresbeginn abgeschafften "kalten Progression", also der automatischen Vorrückung in höhere Steuerstufen. Im Februar lag das Lohnsteuerplus im Jahresvergleich gerade einmal bei 2,3 Prozent, während die Inflation im Monat satte 10,9 Prozent ausmachte.

PENSIONEN UND PERSONAL. Zugleich steigen die Ausgaben für Personal und Pensionen stark an. Alleine die 2022 beschlossene Pensionserhöhung macht knapp vier Milliarden Euro aus. "Im laufenden Jahr wird die Inflation für den Staat zum Verlustgeschäft", schlussfolgert auch deswegen die Agenda Austria jetzt. So würden 2023 die "inflationsbedingten Mehrausgaben die -einnahmen um 400 Millionen Euro übersteigen".

ZINSEN UND ZUSCHÜSSE. Schlussendlich gibt es noch Sondereffekte, die von der außergewöhnlich hohen Inflation hervorgerufen werden und den Staatshaushalt belasten. Bestes Beispiel dafür sind Unterstützungsmaßnahmen wie der Energiekostenzuschuss.

Und auch die ob der hohen Inflation steigenden Zinsen setzen dem Staat zu. Weil die Zinsen auf Staatsanleihen steigen, wird die Refinanzierung gerade teurer. Wenngleich Ökonomen an dieser Stelle beruhigen. "Der absolute Effekt ist nicht so groß", sagt etwa Helmut Hofer, "er betrifft ja nur neu aufgenommene Schulden." Ähnlich argumentiert Simon Loretz: "Etwa ein Zehntel der Staatsschulden werden zurzeit alljährlich neu aufgenommen. Es dauert also einige Jahre, bis die Zinsen voll durchschlagen würden." Österreichs langfristige Anleihen-Strategie zahlt sich an dieser Stelle aus. Und dennoch rechnet der Finanzminister heuer im Vergleich mit dem Vorjahr mit einem mehr als verdoppelten Zinsaufwand von 8,7 Milliarden Euro. 

BUDGET. Am Ende des Tages führen all diese Bewegungen aber zurzeit zu einer Mehrbelastung für das Budget. Die bereinigten Einzahlungen lagen im Februar mit 15,0 Milliarden Euro um 0,7 Milliarden Euro oder 5,0 Prozent höher als im Vorjahr. Zugleich legten die Ausgaben aber um 16,4 Prozent auf 16,3 Milliarden Euro zu. Freilich werden die Zahlen nicht ausschließlich von der Inflation getragen. Bei den Ausgaben etwa kommen auch erhöhte Investitionen im Bundesheer zum Tragen.

Summa summarum erwartet etwa das Büro des Fiskalrates, gewissermaßen des Schuldenhüters, für die Jahre 2023 und 2024 ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 2,3 Prozent und 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ein verhältnismäßig niedriger Wert. Der einer Einschätzung geschuldet ist, die auf positive konjunkturelle Impulse baut. Finanzminister Magnus Brunner ist nicht ganz so optimistisch. Er rechnet auch heuer noch mit einem Budgetdefizit jenseits der drei Prozent. 

FAZIT. Wie lautet nun aber das Fazit der eingangs gestellten Frage? Ist eine hohe Inflation für den Staat von Vorteil? Tatsächlich ist die Frage differenziert zu beantworten. Simon Loretz formuliert etwa folgendermaßen: "Kurzfristig zahlt sich hohe Inflation für den Staat aus. Mittel- bis längerfristig ist es aber kein gutes Geschäft." Helmut Hofer antwortet ähnlich: "Mit der Zeit schwindet der positive Effekt auf die Staatskasse."