Der Bankrott der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) ist aus Sicht von österreichischen Finanzmarktexperten nicht mit jener Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, die 2008 die weltweite Finanzkrise ausgelöst hat, vergleichbar. "Die SVB ist ein Spezialinstitut, das sich primär dem Wagniskapital verschrieben hat", sagte Finanzmarktexperte Peter Brezinschek am Montag. Auch Wifo-Fachmann Thomas Url sieht darin ein "lokales, sektorspezifisches Ereignis".

"Es hat mich gewundert, dass das mit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 verglichen wird", sagte Brezinschek, vormals Chefanalyst bei der Raiffeisenbank. Mit einer Einlagesumme von ursprünglich insgesamt 212 Milliarden US-Dollar sei die SVB zwar ein großes Institut, aufgrund ihrer Spezialisierung auf Start-up-Finanzierung gehe von der Pleite aber nicht das gleiche Risiko aus wie von der Lehman-Pleite 2008. Lehman sei demnach wesentlich stärker international und über verschiedene Sektoren hinweg vernetzt gewesen und habe auch mit allen europäischen Banken Kreditlinien und Geschäftsbeziehungen gehabt. Die SVB sei hingegen "keine systemrelevante Bank", so Brezinschek.

"Auswirkungen sind überschaubar"

Auch die Börsenexpertin und Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft, Monika Rosen, fand im Ö 1-"Mittagsjournal" beschwichtigende Worte. "Ich würde die Auswirkungen auf die kontinentaleuropäische Branche als sehr überschaubar einschätzen", sagte Rosen. Mit der Lehman-Pleite 2008, dem größten Konkursfall der US-Geschichte, sei der Fall ihrer Meinung nach nicht zu vergleichen.

Es habe bei Lehman ein "weltweites Netzwerk von Verbindlichkeiten und Forderungen gegeben, wodurch sich der Zusammenbruch dann in jede Ecke des Finanzsystems übertragen" habe, sagte Url vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Die SVB sei hingegen "lokal operativ", die einzige internationale Verflechtung sei die britische Tochter der SVB, die bereits von der britischen Großbank HSBC übernommen worden ist.

"Viele Girokonten bei der SVB"

Von der SVB-Pleite betroffen seien demnach vor allem Start-ups im Silicon Valley. Dort sei die Bank allerdings relativ bedeutend. "Sehr viele Start-ups im Silicon Valley haben ihre Bankkonten, ihre Girokonten bei der SVB", sagte Url. Für rund die Hälfte der Start-ups im Silicon Valley bedeute das, dass sie derzeit nicht auf ihre liquiden Mittel zugreifen können, etwa um Löhne auszuzahlen. Url sieht deshalb die Gefahr einer "Insolvenzkaskade", bei der die Pleite der Bank auf die betroffenen Start-ups überschwappt. Der Finanzexperte verwies hier etwa auf das Kryptounternehmen Circle, das Stablecoins verwaltet und rund ein Sechstel seiner Bargeldreserven, das entspricht 3,3 Mrd. US-Dollar, bei der SVB geparkt hat. Die Deckung der Stablecoins könnte somit gefährdet sein.

Dominoeffekt möglich – in der "Tech-Branche"

Auch Brezinschek kann sich einen "Dominoeffekt" vorstellen, allerdings nur innerhalb der Tech-Branche. In Europa hätten rund 3.600 Unternehmen, sowohl Start-ups als auch KMUs, Einlagen bei der SVB deponiert, davon etwa 350 in Deutschland. Insgesamt rechnet der Finanzexperte in Europa aber nicht mit gravierenden Auswirkungen. Auch Url schätzt die Netzwerk-Effekte der SVB eher als klein ein und sieht das Risiko, dass der Effekt auf Europa übergreift, gering, auch weil mitteleuropäische Banken seit 2008/09 vorsichtiger mit US-Investments gewesen seien.

Einlagen bis 250.000 US-Dollar seien in den USA laut Url staatlich abgesichert, wie mit den darüberliegenden Beträgen umgegangen wird, sei nicht noch nicht abschließend geklärt. Es gebe aber Stimmen aus der kalifornischen Finanzbranche und Politik, die auch für eine Kompensierung großer Anleger eintreten. In jedem Fall werde es sich aber nicht um eine Rettung der Bank, sondern lediglich der Anleger handeln. "Die SVB ist pleite und bleibt pleite, die Bank wird abgewickelt, nicht gerettet", so Url.

Aktienkurs-Einbrüche: Pleite nicht ursächlich

Dass heute auch die Kurse österreichischer Banken an den Börsen unter Druck geraten sind, steht für beide Finanzmarktexperten nicht unmittelbar in Zusammenhang mit der SVB-Pleite. Laut Url hätten die Kursentwicklungen mit dem SVB-Zusammenbruch möglicherweise an Dynamik gewonnen, ursächlich sei die Pleite aber nicht. ATX und DAX hätten sich bisher dem aus verschiedenen Gründen bereits seit einiger Zeit bröckelnden Marktumfeld in den USA entziehen können, "die aktuelle Kursentwicklung hat nicht unmittelbar mit der SVB zu tun", sagte Brezinschek und verwies unter anderem auf das Zinsumfeld und die Inflation.

Die Tech-Branche durchlaufe derzeit eine Umbauphase, nach einem Boom in den Jahren 2021/22 habe die Mittelvergabe Ende 2022/Anfang 2023 nun gestockt, "es war absehbar, dass die Branche eine Korrekturphase durchmacht", meint Url. Nicht absehbar sei hingegen gewesen, dass die SVB in diesem Ausmaß davon getroffen wird.