Der anhaltende Anstieg der Energiepreise lässt die Inflation im Euroraum immer neue Rekordwerte erklimmen und erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB). Trotz Tankrabatte und anderer Steuererleichterungen in mehreren Euroländern zogen die Verbraucherpreise im Juni um 8,6 Prozent zum Vorjahresmonat an, nach einem Plus von 8,1 Prozent im Mai, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag auf Basis einer ersten Schätzung mitteilte.

Die Prognosen von Volkswirten, die einen neuen Rekordwert von 8,4 Prozent erwartet hatten, wurden sogar noch übertroffen. "Das Inflationsdrama geht in die nächste Runde, der Gipfel ist noch nicht erreicht", kommentierte Alexander Krüger, der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.

Die Inflation liegt mittlerweile mehr als viermal so hoch wie die Zielmarke der EZB, die zwei Prozent Teuerung für die Wirtschaft als optimalen Wert ansteuert. Die Währungshüter hatten angekündigt, nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik in diesem Monat die wichtigsten Zinssätze um jeweils 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen – die erste Zinsanhebung seit 2011.

Forderung nach entschiedenem Handeln der EZB

Doch nach Ansicht einer Reihe von Experten reicht das nicht. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, hält ein entschiedenes Handeln der EZB für gefordert. "Sie sollte sich einen Ruck geben und die Zinsen auf der nächsten Sitzung im Juli nicht nur wie angekündigt um einen viertel Prozentpunkt, sondern um einen halben Prozentpunkt anheben", forderte Krämer. "Bevor die Konjunktur nicht mehr mitspielt, sollte die EZB schon im Juli einen großen Zinsschritt wagen", sagte auch Krüger. Die Konjunkturrisiken seien wegen der kräftigen Realeinkommensverluste hoch.

Der Anstieg der Inflation in der Währungsunion im Juni ist auch deshalb überraschend, weil in Deutschland – der größten Volkswirtschaft im Euroraum – die Teuerungsrate nach europäischer Messung im Juni auf 8,2 Prozent von 8,7 Prozent im Mai gesunken war.

In Österreich hat sich die Inflation im Juni weiter beschleunigt. Die Inflationsrate beträgt laut Schnellschätzung der Statistik Austria 8,7 Prozent, nach 7,7 Prozent im Mai.

Laut Eurostat schossen in der Eurozone die Preise für Energie im Juni zum Vorjahr um 41,9 Prozent nach oben, nach einem Preisschub von 39,1 Prozent im Mai. Die Preise für unverarbeitete Lebensmittel zogen im Juni um 11,1 Prozent an, Dienstleistungen verteuerten sich um 3,4 Prozent. Die Preise erhöhten sich wie im Vormonat auf breiter Front. Dies zeigt die sogenannte Kernrate, bei der die schwankungsreichen Preise für Energie und unverarbeitete Lebensmittel herausgerechnet sind. Diese lag im Juni bei 4,6 Prozent. Im Mai hatte die Kernrate bei 4,4 Prozent gelegen.