Die deutsche Regierung bereitet einer Zeitung zufolge die Ausrufung der Alarmstufe des nationalen Notfallplans Gas innerhalb weniger Tage vor. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Patrick Graichen, habe die Energiewirtschaft am Montag auf den bevorstehenden Schritt vorbereitet, berichtete "Welt" am Dienstag unter Berufung auf Kreise der Energiewirtschaft.

Die Versorger sollten "davon ausgehen", dass die Ausrufung der Alarmstufe innerhalb von fünf bis zehn Tagen erfolgen werde, sagten vier mit dem Vorgang vertraute Personen unabhängig voneinander der Zeitung zufolge. Das Ministerium habe den Vorgang auf Nachfrage weder bestätigt noch dementiert. Dem Bericht zufolge bereiten sich Unternehmen der Energiewirtschaft seither auf eine bevorstehende Ausrufung der Alarmstufe vor.

Das deutsche Wirtschaftsministerium will nicht über die Ausrufung der nächsten Stufe im Notfallplan Gas spekulieren. Eine Sprecherin sagte am Dienstag in Berlin: "Für die Stufen des Notfallplans Gas gelten die gesetzlichen Regelungen und Vorgaben. Nach diesen Vorgaben entscheiden wir und spekulieren nicht darüber. Es wird jeweils nach aktueller Lage und aktuellem Lagebild entschieden." Die Versorgungssicherheit sei aktuell weiter gewährleistet, aber die Lage sei ernst.

Ökonomischer Angriff

Die reduzierten Gaslieferungen Russlands sind laut dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck ein "ökonomischer Angriff auf uns". Das sei eine andere Dimension als bisher, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Berlin beim Tag der Industrie. Die Bundesnetzagentur befürchtet eine unzureichende Gasversorgung im Winter.

"Das Muster ist erkennbar", sagte Habeck. Russlands Präsident Wladimir Putin wolle immer wieder Ängste schüren, unter anderem vor Armut. Die Menge an Gas werde reduziert, um die Preise hochzutreiben. "Diese Strategie darf nicht erfolgreich sein." Vorstellbar sei auch, dass Putin Engpässe bei Lebensmitteln schüren könnte, vor allem bei Weizen.

Die ökonomische Situation durch fehlende Energielieferungen könne sogar noch schlimmer werden als die Coronavirus-Pandemie, in der die Wirtschaft 2020 so stark eingebrochen ist wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Über Monate seien Belastungen für die Wirtschaft möglich. Es gehe um ganze Existenzen von Firmen, so Habeck. Die Gasspeicher seien noch nicht voll genug, nur zu etwa 60 Prozent. Sollte Deutschland mit halbvollen Speicher in den Winter gehen, drohe eine schwere Wirtschaftskrise. Viele Industrieprozesse funktionieren Experten zufolge ohne ausreichende Gasmengen nicht mehr.

Wegen der Verringerung von Gaslieferungen aus Russland hatten Bundesnetzagentur und Bundeswirtschaftsministerium den dreistufigen Notfallplan entwickelt. Deutschland befindet sich derzeit in Phase 1. Ob und wann Deutschland in die zweite Phase eintritt, muss das Bundeswirtschaftsministerium entscheiden. Die Lage werde kontinuierlich geprüft, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen.