Fast 50 Jahre ist es her, dass die Inflation in Österreich zum letzten Mal so hoch war, wie derzeit. In ihrer Schnellschätzung hat die Statistik Austria für den Mai eine Teuerungsrate von 8,0 Prozent errechnet, der höchste Wert seit 1975. Eine Zahl, die auch zeigt, mit welcher Dynamik sich der Preisauftrieb weiterhin vollzieht, im April lag die Rate noch bei 7,2 Prozent. Haupttreiber für die Preisanstiege bleiben, wie schon seit vielen Monaten, Energie und Treibstoffe, aber auch bei Nahrungsmittel setzen sich Verteuerungen auf breiter Front fort. In beiden Bereichen ist das Ende der Fahnenstange wohl auch noch nicht erreicht.

Wifo-Ökonom Josef Baumgartner geht nach dem Ringen um das EU-Embargo für russisches Erdöl von einem weiteren – zumindest leichten – Ölpreisanstieg aus. Mit entsprechenden Folgen auf die Spritpreise. Der Preis für ein Barrel Brent-Öl kletterte in Folge der EU-Beschlüsse bereits auf ein Zweimonatshoch. „Beim stark importabhängigen Diesel könnten die Preissteigerungen als Folge der neuen Sanktionen höher ausfallen“, sagt ÖAMTC-Experte Martin Grasslober. Er mahnt Kostentlastungen ein – auch vor dem Hintergrund, dass die Spritsteuer in Deutschland ab heute gesenkt wird. Laut dem Experten werde man in Österreich ab Juli aus heutiger Sicht ausgehend vom aktuellen Preisniveau um rund neun Cent mehr je Liter Kraftstoff bezahlen als in Deutschland.

Daraus resultiert noch ein anderer Effekt: Vor dieser Umstellung habe man in Deutschland die Treibstoff-Lager leer werden lassen, nun werden sie zu den günstigeren neuen Konditionen wieder gefüllt, „das könnte dazu führen, dass Treibstoff in den nächsten Wochen auch bei uns knapper wird“, sagt Jürgen Roth, Obmann des Energiehandels in der WKO. Nervös mache ihn das dennoch nicht, er verweist auf jene drei Milliarden Liter Treibstoff aus den nationalen Reserven, die man im Fall von Engpässen „tröpfchenweise freigeben könnte“. Insgesamt sei durch das Öl-Embargo und die vorangegangenen Debatten damit zu rechnen, dass Tanken wieder teurer wird. Roth geht davon aus, dass der Dieselpreis – aufgrund der gestiegenen Ölpreise – im Schnitt schon bald wieder bei 1,9 Euro je Liter liegen könnte, „die Notierungen zeigen alle wieder nach oben“.

Deutschland senkt die Spritpreise

Während Deutschland durch die reduzierte Spritpreissteuer ab heute um 30 Cent netto je Liter nach unten gehe, „werden wir uns in Österreich im Juli durch die CO2-Bepreisung noch einmal um rund zehn Cent nach oben bewegen, das ist ob der ohnehin schon so hohen Inflation völlig unverständlich“, so Roth, der für eine Verschiebung der CO2-Bepreisung plädiert.

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WKO-Präsident Harald Mahrer fordert eine Senkung der Mineralölsteuer und insgesamt „mehr Ehrlichkeit ein“, wenn es um die Frage der Auswirkungen eines Gas- und Ölstopps auf die Preise für die Konsumenten geht. Alleine das in der Nacht von der EU beschlossene Ölembargo könne die Preise an den Zapfsäulen zwischen 20 und 30 Cent je Liter erhöhen.

Rund um Ölprodukte ist also weiterhin mit höheren Kosten – und damit entsprechendem Einfluss auf die Teuerungsraten – zu rechnen. Auch im Nahrungsmittelbereich gibt es noch keine Entwarnung. Hier seien die Preiserhöhungen infolge des Ukraine-Kriegs noch nicht ganz bei den verarbeiteten Produkten angekommen, sagt Wifo-Ökonom Baumgartner.

Kaum Bewegung bei Mobilfunk-Tarifen

Was in der Diskussion um die galoppierenden Preise freilich gerne untergeht: Es gibt auch Bereiche, in denen das Leben nicht teurer wird. Während im April etwa die Ausgaben für „Verkehr und Wohnen“ für drei Fünftel der Inflation verantwortlich waren, stiegen die Preise bei „Festnetz, Internet, Mobilfunk, Postdienstleistungen“ laut Statistik Austria gerade einmal um 0,6 Prozent. „Wettbewerb“ und ein forsches regulatorisches Umfeld nannte Magenta-Boss Andreas Bierwirth in der Kleinen Zeitung als Gründe für die Stagnation.

Nur gering steigen die Preise auch bei Versicherungen (0,8 Prozent), im Bereich „Körperpflege, Wellness, Kosmetik“ (1,1 Prozent) oder beim Kauf von Büchern (1,9 Prozent). „Spezialfälle“ gibt es im Lebensmittelhandel. Obwohl etwa die Obst-Preise prinzipiell gerade stark steigen, werden bei preisaggressiven Produkten wie der Bananen Erhöhungen kaum weitergegeben. Zu groß ist die Sorge, dass die Kundschaft den Händler wechselt.