Hella ist ein schwedischer Frauenname. Wie kommt ein Osttiroler Unternehmen zu diesem Namen?
ANDREAS KRALER: Mein Großvater kaufte den Betrieb nach dem Krieg, die Frau vom Vorbesitzer hieß Hella. Alois Kraler erzeugte in Abfaltersbach einst Holzrechen und später Jalousien. Noch heute ist der Vulgonamen der Kralers "Rechenmacher". Er begann mit zwei Mitarbeitern. Jetzt sind es 1300, allein am Firmenstandort 550. Abfaltersbach hat 640 Einwohner.

Sie wollten 2021 von 186 Millionen Euro Umsatz auf 200 Millionen Euro wachsen, haben das Ziel aber knapp verfehlt. Warum?
Trotz eines Umsatzwachstums haben wir das Ziel 2021 mit 192,5 Millionen Euro nicht ganz geschafft. Das ist auch unserem eigenen Erfolg zuzuschreiben. Die Nachfrage nach Outdoor- und Gartenprodukten wie etwa Markisen ist so enorm, dass wir mit dem Material, das wir benötigen, nicht mehr nachgekommen sind – und so haben wir einen Überhang an Aufträgen in dieses Jahr mitgenommen.

Woran fehlte es?
Es mangelte an verschiedensten Teilen: Wir müssen viel Aluminium zukaufen, Motoren, Steuerungen. Die Verfügbarkeit war aber nicht mehr in vollem Ausmaß gegeben. Speziell bei Funkchips besteht nach wie vor ein großer Engpass.

Lassen Ihre Bezugsquellen Sie im Stich?
Nein, im Gegenteil. Wir kaufen primär in Europa, verzichten auf kurzfristiges Profitdenken und den Bezug von Waren aus China. Das wäre nicht nachhaltig – weder wirtschaftlich noch qualitativ. Wir haben in allen Bereichen immer auf zwei Lieferanten gesetzt. Aber das reicht jetzt nicht mehr, um lieferfähig zu sein, wir müssen jeweils auf fünf oder sechs Lieferanten ausweichen.

Schließlich geht es um ein ziemlich großes Sortiment, Sie haben mehr als 70.000 Artikel im System.
Und wir produzieren gar nichts auf Lager, alles auf Bestellung. Wir wissen heute nicht, was wir in sechs oder acht Wochen erzeugen werden.
Bleiben wir beim Aluminium – wie groß sind die Lieferlücken?
Mit dem Krieg wird sich das in noch unvorhersehbare Dimensionen verschieben. Russland ist einer der größten Alu-Produzenten der Welt, die Sanktionen können zu einer weiteren Verknappung führen. Der Aluminiumpreis ist schon auf ungeahnte Höhen geklettert: 2008/2009 war er auf damals rekordverdächtigen 2100 Euro je Tonne, dann sank er wieder auf 1100 Euro je Tonne. Jetzt sind es 3600 Euro. Der Anstieg in den letzten Wochen war dramatisch.

Womit rechnen Sie?
Die Szenarien sind davon abhängig, wie lange der Krieg noch dauern wird. Die Sanktionen sollten nach Möglichkeit rasch zurückgefahren werden, um Europa wirtschaftlich zu schützen.

Was würde passieren, wenn die Sanktionen bestehen bleiben?
Das würde zu einem dramatischen Einbruch auch der österreichischen Wirtschaft führen. Unmittelbar spüren wir die Auswirkungen beim Aluminium. Viele Produkte sind aber mittelbar betroffen. Baustoffe sind oft nicht mehr erhältlich. Ja selbst so etwas Simples wie doppelseitiges Klebeband war zuletzt am Weltmarkt nicht mehr verfügbar.

Hella verfügt neben dem Hauptsitz mit Produktion auf 35.000 Quadratmeter Fläche in Abfaltersbach, über Werke in Deutschland – nahe Ulm, in Duisburg und in Werne. Wie kam es dazu?
In den 15 Jahren von 2004 bis 2019 sind wir massiv organisch und durch Zukäufe von 220 auf 1350 Mitarbeiter gewachsen. Vor 19 Jahren lag der Umsatz noch bei 23 Millionen Euro. Wir setzen auf Spezialisierungen und Wertschöpfungstiefe in den einzelnen Werken, konzentrieren uns auf Kernmärkte. Aus Russland und der Ukraine sind wir etwa schon vor einigen Jahren gegangen.

Kann man in solch unsicheren Zeiten überhaupt noch langfristige Pläne wälzen?
Die Nachkriegsgeneration hat eine solche Unsicherheit, wie wir sie heute sehen, nicht erlebt. Schon die Pandemiejahre waren im Kopf anstrengend, jetzt steigt die Unsicherheit weiter. Man muss kurzfristiger agieren, agil sein – und dennoch gleichzeitig eine Strategie verfolgen. Wir sehen in unseren Märkten enormes Wachstum. Unser Glück ist, dass die gesamte Produktpalette zu den großen Trends – Kälte-, Sonnen- und Klimaschutz sowie Outdoor – passt.

Wie kann man ein europaweit tätiges Industrieunternehmen von einer kleinen Gemeinde in Osttirol aus steuern?
Längere Wege auf uns zu nehmen, gehört dazu. Von unserer Perspektive aus sind wir zentral, wir brauchen nach Wien etwa gleich lang wie nach Mailand. Unsere Kernmärkte sind Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien – so betrachtet sind wir mittendrin.

Hella beschert dem Bürgermeister die höchsten Pro-Kopf-Einnahmen Osttirols. Die Wirtschaft im Bezirk boomt. Wie schwer fällt es Ihnen, Mitarbeiter zu bekommen?
Vor einigen Jahren war es noch einfacher. Jetzt spitzt sich die Lage zu. Wir haben Engpässe beim Material und beim Personal. Die Bereitschaft, aus den Tälern eine Stunde oder mehr zur Arbeit zu pendeln, hat merklich abgenommen. Bereits jetzt beschäftigen wir Mitarbeiter aus 25 Nationen. Wir planen daher den Bau von Mitarbeiterhäusern, um neue Mitarbeiter vor allem aus Bulgarien und Rumänien, vielleicht auch aus der Ukraine, zu gewinnen. Die Politik muss deren Zuzug ermöglichen.

Sie haben bei Hella bereits alle möglichen Stationen durchlaufen. Was lernten Sie dabei?
Ich bin im Unternehmen aufgewachsen, die Werkstätte war unser Spielplatz. Ich habe in der Montage gearbeitet und bin mit dem Lkw gefahren. Das bringt einem als Führungskraft viel, wenn man den Job von der Pike auf lernt.