Es ist ein Rekordergebnis, das die Erste Group mit 1,92 Milliarden Euro am Montag vorlegte. Mehr als doppelt so viel wie 2020 verdiente die Bankengruppe im zweiten Coronajahr. Aber der Ukrainekrieg verbietet dem Vorstand die Freude über das Ergebnis. Im Gegensatz zur Raiffeisenbank International RBI ist der stark in Süd- und Osteuropa verankerte Bankenkonzern weder in der Ukraine noch in Russland tätig. Das dort von der Erste Group vergebene Kreditvolumen ist laut Vorstandschef Spalt "vernachlässigbar und gut verdaubar".

Dem Konkurrenten RBI springt Spalt aber noch vor der Präsentation der Zahlen zur Seite, mahnt Zurückhaltung bei aus seiner Sicht voreiligen Schlussfolgerungen ein. "Das ist die Zeit zu versuchen, Stabilität zu erreichen, nachzudenken und zu analysieren", so Spalt. "Das ist nicht die Zeit für markige Statements oder große Schlussfolgerungen."

Adressat der Kritik ist Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, der Montagfrüh neuerlich erklärt hatte, dass angesichts drohender Sanktionsfolgen ein Schutzschirm über die RBI gespannt werden sollte. Spalt: "Ich halte die RBI für eine sehr gut aufgestellte Bank." Die ohnehin seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine abgestürzte RBI-Aktie verlor daraufhin 18 Prozent bis zum Mittag. Spalt: "Man sollte die Situation verbessern und nicht weiter eskalieren."

"Krise Europa schweißt Europa stärker zusammen"

"Die Turbulenzen werden hoch bleiben, die Unsicherheiten wachsen", erwartet der Erste-Group-Chef. Die Sanktionen im Zusammenhang mit dem Ausschluss zahlreichen großer Banken aus dem Zahlungssystem Swift seien im Detail noch nicht bekannt, aber sie dürften Transaktionen so erschweren oder gar verhindern, dass es insgesamt zu einer Verlangsamung der Wirtschaftsströme kommen dürfte. Spalt erwartet, dass die Krise Europa stärker zusammenschweißt. 

Die Erste Group sieht der Vorstand jedenfalls bestens aufgestellt, das Geschäftsmodell sei sehr robust. Komme es zu einer Rezession, werde man das natürlich spüren. Ein Risikofaktor könnte eine sinkende Kreditnachfrage von Unternehmen sein, sollten die Investitionen zurückgehen, so Vorstand Ingo Bleier. Unternehmen, die von der Ukrainekrise betroffen seien, werde man wie auch in der Pandemie die Kreditlinien offen halten.

Das zweite Pandemiejahr ist für die Bank zugleich ein Rekordjahr mit hohen Zuwächsen in sämtlichen Geschäftsbereichen. Die Kreditnachfrage war hoch, insbesondere bei Wohnbaukrediten mit elf Prozent Plus. Von den künftig geltenden Vorschriften, dass Kreditnehmer mindestens 20 Prozent Eigenkapital mitbringen müssen, erwartet sich Risiko-Vorstand Alexandra Habeler-Drabek kurzfristig eine eingebremste Nachfrage, aber keinen Einbruch. Spalt fordert in diesem Zusammenhang vom Staat, darüber nachzudenken, wie man verhindere, dass sich einige, vor allem Jüngere, gar nichts mehr kaufen könnten, andere aber die vierte oder fünfte Wohnung. 

Erste Group plant weitere Zukäufe in Stammregion

Die Risikokosten waren im Erste-Bankkonzern 2021 extrem niedrig. Die Kunden in Süd- und Osteuropa seien sehr gut durch die Krise gekommen, so Habeler-Drabek. Die Quote der notleidenden-Kredite lag bei gerade einmal 2,4 Prozent. Sie erwartet allerdings einen gewissen Nachholeffekt. So niedrige Ausfälle wie zuletzt seien nicht das neue "Normal". Die hohen Kreditvorsorgen, die im Vorjahr aus Vorsicht getroffen worden waren, werden jetzt auf das laufende Jahr übertragen, womit man sich gegen mögliche Folgen der wahrscheinlich  weitreichenden Zeitenwende durch den Krieg gewappnet sieht. 

Die Aussichten der Erste Group sind gut, Spalt rechnet mit einer noch stärkeren Kreditnachfrage. Dass in vielen Nicht-Euro-Ländern bereits die Zinsen deutlich steigen, wird die Ergebnisse weiter verbessern. "Die Betriebserträge werden weiterhin stärker steigen als die Kosten", sagt Spalt. Das Risiko sei komplett unter Kontrolle. Die Eigenkapitalposition erlaube Zukäufe von Banken, Asset-Managers oder anderen Geschäften, die zur Gruppe passten, wobei Spalt betonte: "Wir werden unsere Region nicht verlassen."

Aktionären soll aus dem Ergebnis 2021 eine Dividende von 1,60 gezahlt werden.