Ihre Flucht aus dem umkämpften Gebiet in der ukrainischen Hauptstadt Kiew schildert die österreichische Wirtschaftsdelegierte Gabriele Haselsberger in einem Video. Haselsberger versucht sich Richtung Westen nach Lwiw fortzubewegen, allerdings ging in den kilometerlangen Staus nichts weiter.

Während des Sirenenalarms musste sie in die U-Bahn aufsuchen. Die Banken haben geschlossen, Bankomaten geben umgerechnet nur mehr maximal 80 Euro aus. Auch in den Supermärkten bildeten sich Schlangen, Unternehmen stellen die Produktion ein, Mitarbeiter flüchten in die Keller. "Die Angst ist groß, aber es gibt keine große Panik. Die Menschen verhalten sich sehr krisenresistent."

Das Video zur Flucht aus Kiew

"Die aktuelle Lage in Moskau ist angespannt, aber ruhig", erklärt Rudolf Lukavsky, der österreichische WKÖ-Wirtschaftsdelegierte in Moskau, im Telefongespräch mit der Kleinen Zeitung. "Die Sicherheitssituation ist hier kein Thema." Anders als in grenznahen Regionen Russlands zur Ukraine, wo etwa Flughäfen bis auf Weiteres geschlossen sind.

Der internationale Warenverkehr, auch der Zahlungsverkehr seien heute "unproblematisch", sagt Lukovsky. Das Außenhandels-Center der Wirtschaftskammer sei in Kontakt mit vielen heimischen Unternehmen, die in Russland präsent sind. "Es besteht natürlich Unruhe, wenngleich die große Gefahr nicht hier, sondern in der Ukraine besteht."

Rubel und Aktienkurse sind massiv unter Druck, mit größeren Abwertungen der russischen Währung sei zu rechnen, erklärt Lukavsky.  Wenngleich russische Zentralbank mit ihren hohen Währungsreserven eine unkontrollierte Abwertung verhindern dürfte. Mit großer Spannung blicke man den Sanktionen gegenüber Russland entgegen - und den von Russland getroffenen Gegenmaßnahmen. "Alles dreht sich um diese Fragen."

Ökonomische Verflechtungen sind stark

Der russisch-ukrainische Konflikt belastet auch die österreichische Wirtschaft. Die ökonomischen Verflechtungen mit beiden Ländern sind stark. Österreichische Firmen betreiben in der Ukraine vor allem Produktionsstätten. Nach Russland exportiert Österreich Maschinen und Anlagen, Pharmaerzeugnisse und Lebensmittel, importiert wird hauptsächlich Erdgas und Erdöl. Auch die heimischen Banken, besonders die Raiffeisen Bank International, sind stark in beiden Ländern vertreten.

Österreichs Firmen sind mit rund 200 Niederlassungen und Investitionen von rund 1,8 Milliarden Dollar (1,59 Milliarden Euro) der sechstgrößte ausländische Investor in der Ukraine, wobei sich der Großteil in der West- und Zentralukraine befindet. Unter den Niederlassungen befinden sich viele Produktionsstätten, etwa der Papier- und Verpackungsindustrie, von Herstellern von Fruchtsaftkonzentraten (Agrana, Pfanner), Baumaterialien, und Bügelbrettern.

Auch die Skihersteller Fischer und Blizzard produzieren in der Ukraine. Ebenfalls stark präsent sind die Raiffeisen Bank International sowie die Versicherer UNIQA, Grawe und die Vienna Insurance Group. Das Handelsvolumen zwischen Österreich und der Ukraine belief sich 2021 von Jänner bis November auf rund 1,5 Mrd. Euro.

Wirtschaftsdelegierter Rudolf Lukavsky
Wirtschaftsdelegierter Rudolf Lukavsky © KK

650 österreichische Unternehmen in Russland

In Russland sind rund 650 österreichische Unternehmen mit Investitionen von rund 4,6 Milliarden Euro aktiv, umgekehrt rund 500 russische Firmen in Österreich mit rund 21,4 Milliarden Euro. Russland ist nach Deutschland größter Investor in der Alpenrepublik. Österreichische Firmen investieren in Russland besonders stark in den Bereichen der Holz- und Papierverarbeitung, Banken und Bauwesen sowie der Lebensmittel verarbeitenden Industrie, aber auch in den Bereichen Energie, Verpackung und Automotive.

Die engen russisch-österreichischen Wirtschaftsbeziehungen betreffen auch zahlreiche große russische Firmen, die in Wien vertreten sind. Zu den am stärksten vertretenen Unternehmen gehören neben dem staatlichen Gazprom-Konzern mehrere Unternehmen in privater Hand, etwa der Ölkonzern Lukoil, der Petrochemie-Riese Sibur und die russische Großbank Sberbank mit ihrer Europa-Zentrale mit Sitz in Wien. Auch die russische VTB Bank hat eine Niederlassung in Österreich.

Nach einem Rekordergebnis von 3,5 Milliarden Euro 2013 ist der Export österreichischer Waren nach Russland bis 2016 um 46 Prozent eingebrochen. 2021 erreichen Österreichs Exporte voraussichtlich nur rund 2,1 Milliarden Euro, Russland nimmt damit weltweit die 16. Stelle ein. Gründe dafür waren teilweise die schwächere Konjunkturlage Russlands, die starke Rubelabwertung, aber zu einem großen Ausmaß auch die Sanktionen in Folge der Krimkrise und den Konflikten in der Ostukraine seit 2014 sowie die russischen Gegenmaßnahmen gegen europäische Firmen.

Abklären der Lage in betroffenen Ländern

Das Exposure der heimischen Banken; also die gesamten Kreditforderungen in Russland ist mit 17,5 Milliarden US-Dollar (15,4 Milliarden Euro) im internationalen Vergleich relativ hoch. Die Raiffeisen Bank International (RBI), die mit Tochterbanken in Russland und in der Ukraine tätig ist, war auf APA-Anfrage heute früh noch am Abklären der Lage mit den Mitarbeitern in den betroffenen Ländern. Auch die Bank-Austria-Mutter UniCredit ist in Russland tätig und könnte wie andere europäische Banken von angedrohten Sanktionen gegen Moskau betroffen sein.

Bei der OMV, die beim Projekt Nordstream 2 engagiert ist, wurde bereits vor einiger Zeit ein Monitoring-Team eingerichtet. Von einer Krisenstimmung könne aber keine Rede sein, hieß es auf APA-Anfrage. In den beiden Ländern selbst ist der Wiener Mineralölkonzern nicht aktiv.