Kärnten ist zwar gut durch die Krise gekommen, aber es gibt, verglichen mit anderen Bundesländern, Aufholbedarf, so das Resümee von Timo Springer, Präsident der Industriellenvereinigung (IV) Kärnten, am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz zur Standortpolitik in Kärnten. Für einen Neustart nach der Krise bedürfe es der dringenden Behebung schon länger bestehender Strukturdefizite. "Einzelne spektakuläre Großprojekte verhindern leider nicht, dass der Wirtschaftsstandort Kärnten im Vergleich mit anderen Regionen zurückfällt", sagt der IV-Präsident.

Mehr Leuchtturmprojekte

Eines dieser Leuchtturmprojekte, von denen Springer spricht, ist definitiv Infineon mit dem Mikroelektronikcluster rundherum. Die Bedeutsamkeit der Elektronikbranche für Kärnten bestätigt auch Anna Kleissner von Economica Kärnten, die im Auftrag der IV einen Standortcheck vorgelegt hat. Sie sieht außerdem Chancen für Kärnten in den Bereichen Lebens- und Nahrungsmittel, Forst- und Holzwirtschaft, Steine und Erden sowie Energieerzeugung. Die Energiewende, betont Kleissner, sei eine Chance für Kärnten. Vor allem beim Thema erneuerbare Energie gebe es "einige Unternehmen mit Potenzial". "Schwerpunktsetzungen rechnen sich, Kärnten braucht noch mehr davon", mahnt Kleissner.

Im Rahmen einer Online-Pressekonferenz haben IV-Geschäftsführerin Claudia Mischensky, Anna Kleissner von Economica Kärnten und IV-Präsident Timo Springer über die Wirtschaftsleistung in Kärnten informiert
Im Rahmen einer Online-Pressekonferenz haben IV-Geschäftsführerin Claudia Mischensky, Anna Kleissner von Economica Kärnten und IV-Präsident Timo Springer über die Wirtschaftsleistung in Kärnten informiert © IV Kärnten

19,2 Milliarden Euro Wertschöpfung

2019 betrug die Wertschöpfung in Kärnten 19,2 Milliarden Euro. Was unterdurchschnittlich sei, sagt Kleissner, und nur 5,4 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung ausmache. "Fast alle anderen Bundesländer haben sich zwischen 2013 und 2018 dynamischer entwickelt als Kärnten", ortet Springer dringenden Handlungsbedarf, auch im Bereich der Demografie. "Für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung stehen immer weniger Personen zur Verfügung", sagt der IV-Präsident. Weshalb es auch wesentlich sei, als Bildungsstandort attraktiv zu sein. Ein gemeinsamer Campus von Fachhochschule und Universität sei hier gefragt. "Lehre und Forschung müssen zusammengeführt werden", wiederholt Springer eine langjährige Forderung der Wirtschaft.

Kritik auch von der FPÖ

"Es ist offensichtlich, dass sich in den letzten Jahren niemand um die Wirtschaft in Kärnten gekümmert hat, sonst würde es nicht ein solches desaströses Ergebnis geben. Dass Kärnten gemeinsam mit dem Burgenland im Bundesländervergleich an letzter Stelle rangiert, hätte nicht passieren dürfen", betont auch FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer in Bezug auf das Begleitschreiben zum Wirtschaftsbericht 2019. 

Die konkreten Gründe, warum Kärnten im Bundesländervergleich den letzten Platz belegt, sind laut Kleissner vielfältig. Neben dem zu geringen Spezialisierungsgrad gebe es auch einen hohen Anteil an wachstumsschwächeren Sektoren sowie viele Unternehmen, die eine kritische Größe nicht überschreiten würden.

69 Prozent sprechen von guter Geschäftslage

Claudia Mischensky, Geschäftsführerin der IV Kärnten, präsentierte dann auch die Umfrage zur Industriekonjunktur im ersten Quartal 2021. Hier liege Kärnten im Bundesschnitt. 69 Prozent der Betriebe würden aktuell von einer guten Geschäftslage sprechen, nur 6 Prozent von einer schlechten. 77 Prozent würden außerdem den Auftragsbestand als gut beurteilen. "Alle Signale deuten auf einen kräftigen Aufschwung hin", erklärt Mischensky. Erstaunlich sei auch das Zehnjahreshoch bei der Beschäftigung. 46 Betriebe geben an, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen zu wollen. Der Blick auf den Herbst lässt die Unternehmer dann aber vorsichtiger sein. Nur noch 21 Prozent äußern sich optimistisch.

"Es ist die Stunde der Standortpolitik gekommen, um dem Bundesland ein zukunftsfähiges und nachhaltiges neues Profil zu geben", fordert Springer. Potenziale entlang der Wertschöpfungskette müssten gehoben und Spezialisierungen forciert werden.