Es ist eine ungeschönte und ernüchternde Analyse der Wirtschaftspolitik in Kärnten: Das „Wirtschaftspolitische Begleitschreiben“ zum Wirtschaftsbericht 2019 - fertiggestellt im Jänner 2021 - ist „eine Fundgrube an Hinweisen, was Kärnten tun sollte“, sagt der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein, seit 2015 Vorsitzender des Kärntner Wirtschaftspolitischen Beirates. Es ist das ihm nahestehende Institut Economica, das, federführend von Anna Kleissner, diese Bestandsaufnahme erstellte. Damit löste Economica offenbar politisch nicht nur Zustimmung aus. So sollen Vertreter der SPÖ bei der Präsentation im Beirat etwa Daten zu Forschung und Entwicklung vermisst haben. Diese soll nun der Leiter der Strategischen Landesentwicklung, Markus Bliem, nachträglich liefern. „Das war auch nicht Gegenstand der Ausschreibung“, hält Helmenstein fest.

Auf Anfrage der Kleinen Zeitung übermittelten LH-Stv. Gaby Schaunig (SPÖ) und Landesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP eine gemeinsame Stellungnahme, wonach die externe wirtschaftspolitische Analyse "ergänzt" werde und diese "nach Fertigstellung veröffentlicht".

Die Zurückhaltung ist verständlich. Die Autoren des "Wirtschaftspolitischen Begleitschreibens"gehen mit der (Wirtschafts-)Politik hart ins Gericht. Inhaltlich bezieht sich die Kritik im „Begleitschreiben“ vor allem auf folgende Punkte:

Zu hoher Anteil der öffentlichen Verwaltung

1. Nur im Burgenland hat die öffentliche Verwaltung einen höheren Anteil an der regionalen Wirtschaftsleistung als in Kärnten. Gemeint ist der Kernbereich der öffentlichen Verwaltung, ausgeklammert sind bei diesem Befund Gesundheits- und Bildungsausgaben. Wörtlich ist von einem „überdimensionierten Mengengerüst der Verwaltung, welches Kärnten in eine ungünstige Position im Bundesländervergleich“ bringe, die Rede. Problematisch seien die Opportunitätskosten: „Würden die aus Einsparungen bei der öffentlichen Verwaltung frei werdenden Budgetmittel in anderen Bereichen der Regionalwirtschaft eingesetzt, ließe sich ein wesentlich größerer regionalwirtschaftlicher Nettoimpuls für Kärnten erzielen.“

Die Studienautoren meinen, Kärnten sei prädestiniert, Vorbildcharakter für effiziente Verwaltungsabläufe zu erlangen. Ein Bürokratieabbau mit Außenmaß würde keine Einbußen an öffentlicher Leistungsqualität nach sich ziehen und Kärntens Selbstbild als IT-affiner Standort gemäß E-Government entsprechen. Die Autoren raten zur „ambitionierten Digitalisierungsstrategie“.

"Mehr Profilbildung dringend erforderlich"

2. Kärntens Wirtschaft ist viel zu breit aufgestellt. Mit schwerwiegenden Folgen für den Wohlstand im Land. Wachstumsstärkere Branchen sind nach wie vor unterdurchschnittlich repräsentiert. Mehr Profilbildung sei dringend erforderlich, Vorteile der Arbeitsteilung würden nur unzureichend ausgeschöpft. Kompetenzzuschreibungen wie „Made in Carinthia“ ließen sich durch eine entsprechende Markenführung  verstärken. „Eine Neuausrichtung auf wachstumsstärkere Branchen ist für Kärnten imperativ, wenn es darum geht, zumindest zum Bundesdurchschnitt aufzuschließen.“

Aktuell rangiert Kärnten gleichauf mit dem Burgenland an letzter Stelle, Spitzenreiter ist Vorarlberg. Wer dafür verantwortlich ist, sei klar: „Der wirtschaftliche Strukturwandel passiert, mit oder ohne Intervention der Wirtschaftspolitik. Möchte man diesen Prozess jedoch nicht dem Zufall überlassen, ist die Wirtschaftspolitik hochgradig gefragt.“  Der wirtschaftspolitische Gestaltungsprozess in Kärnten sei „von verschiedenen, nicht nur von wirtschaftspolitischen Zielsetzungen geprägt.“

Eindringliche Warnung

3. Fazit der Wirtschaftsforscher: Kärnten habe „großen Handlungsbedarf“. Das betreffe nicht nur die gefährliche demografische Entwicklung. Sowohl was die Fläche als auch die Bevölkerung betreffe, liefere Kärnten derzeit nur einen unterdurchschnittlichen Beitrag zur Bruttowertschöpfung Österreichs. Damit verbunden eine eindringliche Warnung: Kärnten könne den Anschluss verlieren – das zeige ein Vergleich mit ähnlichen Regionen Europas. „Salzburg, Niederösterreich und die Steiermark ziehen Kärnten davon, auch Oberösterreich weist eine deutlich dynamischere Entwicklung auf.“

Die Wirtschaftsleistung sei in Kärnten sehr ungleichmäßig verteilt. Wäre ganz Kärnten so produktiv wie die produktivste Gemeinde, würde man knapp 200 Quadratkilometer Fläche und damit rund zwei Prozent der derzeitigen Landesfläche benötigen.