Die führenden Wirtschaftsnationen (G20) nehmen Kurs auf eine weltweite Steuerreform noch in diesem Sommer. "Ich bin so zuversichtlich wie schon lange nicht mehr", sagte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch nach Beratungen der Finanzminister der G20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer. Im Sommer solle der Durchbruch gelingen.

Auch Italiens Finanzminister Daniele Franco, unter dessen Vorsitz die G20 tagten, bekräftigte, eine Einigung bis Juli werde angepeilt. "Wir sehen eine Beschleunigung der Prozesse", sagte Franco in Rom. Die Finanzminister der G20 verständigten sich zudem auf eine weitere Unterstützung besonders armer Länder in der Corona-Pandemie.

Bei der geplanten globalen Steuerreform geht es um zwei Säulen: eine globale Mindeststeuer für international tätige Konzerne und eine Digitalsteuer, durch die Internet-Riesen wie Amazon, Google oder Apple nicht nur am Firmensitz, sondern auch dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze erzielen.

Kurswechsel unter US-Präsident Biden

Scholz sagte, die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden habe deutlich gemacht, dass sie einen internationalen Steuer-Wettbewerb nicht mehr hinnehmen wolle. Eine Einigung wäre ein Durchbruch für eine fairere Steuergestaltung. Franco erklärte, bis zum nächsten Finanzministertreffen solle es Ergebnisse geben. Dieses Treffen ist derzeit für den 9. und 10. Juli in Venedig geplant.

Auch Amazon-Chef Jeff Bezos sprach sich für höhere Steuern aus. "Wir unterstützen eine Anhebung des Unternehmenssteuersatzes", erklärte er auf dem Blog seiner Firma. Der weltgrößte Onlinehändler steht seit langem wegen Steuervermeidung in der Kritik. US-Präsident Biden will höhere Unternehmenssteuern nutzen, um Teile eines billionenschweren Investitionsprogramms zu finanzieren. In dem Zusammenhang hatte US-Finanzministerin Janet Yellen einen globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen gefordert.

G20 verlängern Schuldenmoratorium

Die Finanzminister der G20-Staaten kündigten zudem an, den ärmsten Ländern der Welt angesichts der anhaltenden Pandemie auch weiterhin einen Aufschub bei Zins- und Tilgungszahlungen zu geben. Das Schuldenmoratorium werde bis Jahresende verlängert, kündigte Scholz an. So sollen die Länder mehr Spielraum für Investitionen zur Bekämpfung der Corona-Krise bekommen. Der Aufschub allein reiche allerdings nicht aus, betonte der Vizekanzler. Nötig sei auch, manchen Ländern die Schulden zu erlassen. Dabei sollten private Gläubiger mindestens ebenso stark einbezogen werden wie die Gläubigerländer.

Außerdem solle der Internationale Währungsfonds (IWF) "schon bald" eine Finanzspritze bekommen. Angestrebt würden rund 650 Milliarden Dollar (aktuell etwa 552,7 Mrd. Euro), sagte Scholz. Auch dieses Geld soll unter anderem Schwellen- und Entwicklungsländern mehr Spielräume zur wirtschaftlichen Erholung und Bekämpfung der Corona-Pandemie geben.

Die Entwicklungsorganisation One begrüßte beide Beschlüsse. Der Schuldenstopp gebe armen Ländern kurzfristig mehr Spielraum, sagte die Interims-Direktorin von One Deutschland, Karoline Lerche. "Sie sollten nicht vor der Entscheidung stehen müssen, entweder Schulden zurückzuzahlen oder Menschenleben zu retten." Letztlich sei die Vereinbarung aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Laut One profitieren 45 Länder von dem Schuldenmoratorium. Sie könnten nun weitere Rückzahlungen von 9,9 Milliarden US-Dollar stunden und das Geld für die Gesundheitssysteme und zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft nutzen.