Allein das aktuelle Tagesgeschäft der Post wäre spannend genug: Auf der einen Seite sieht das an der Börse notierte Unternehmen gerade der größten Paketflut seiner Geschichte entgegen. Die Menge könnte auf bis zu eine Million Pakete am Tag ansteigen. "Weihnachten wird wie noch nie," erwartet Georg Pölzl. Zum Jahresende könnte die Post 150 Millionen Pakete geschupft haben. Darauf sei man vorbereitet - auch unter verschärften Lockdown-Bedingungen. Auf der anderen Seite dürfte die Corona-Pandemie die Gruppe richtig viel Geld kosten. Auf etwa 50 Millionen Euro schätzt Georg Pölzl den Schaden inklusive Geschäftsentgang durch Covid. So ist das Briefgeschäft eingeknickt. Der Start der neuen Bank 99 fiel mitten in den ersten Lockdown im April.

Covid kostet 50 Millionen Euro

Unabhängig von Infektionszahlen und den aktuell weitreichenden Folgen für die Aufrechterhaltung des Betriebes richtet der Vorstand das Unternehmen derzeit neu aus und verordnet sich ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele vor allem bei der Reduktion von CO2.

"Im Zentrum der Anstrengungen stehen sehr anspruchsvolle Ziele im Bereich Umwelt und Klima," so Pölzl. Die CO2-Emmissionen sollen bis 2030 um 40 Prozent reduziert werden. Pro transportierter Tonne Pakete liegt die Latte bei 70 Prozent Reduktion. "Wenn wir im Paketbereich wachsen, dann ist es eine Herausforderung, den absoluten CO2-Ausstoß nach unten zu bringen," so Pölzl. Über alle Maßnahmen werde ab sofort "wie ein Filter" der Anspruch der Nachhaltigkeit gelegt.

Komplett CO2-frei - also nicht nur CO2-neutral - soll bis 2030 die Zustellung auf der letzten Meile zum Kunden werden. Bei der Briefzustellung gelinge das schon früher. Die Post-Zusteller sind bereits jetzt schon oft per Rad, mit dem Elektro-Moped oder dem E-Auto unterwegs.

Bank: Im Teich der anderen fischen

37 Millionen Euro wurden heuer in die Bank 99 investiert, ähnlich große Tranchen sollen in den nächsten Jahren fließen, um die aktuell unter den Erwartungen gebliebene Kundenzahl von 60.000 zu vervielfachen. Die Post setzt hier auf eine Koppelung von klassischer Erreichbarkeit in den Filialen, dessen Netz nicht reduziert werde, und Digital-Banking inklusive Apple Pay oder modernen Debit-Karten, auf die immer mehr Banken anstelle der klassischen Bankomatkarten setzen.

"Wir werden uns vom Markt schon ein paar hunderttausend Kunden holen," kündigte Pölzl an. Die Bank soll eine zentrale Rolle im Endkundengeschäft spielen. Insgesamt werden heuer 150 Millionen Euro investiert, davon der größte Teil in neue Logistik, darunter das Verteilzentrum in Kalsdorf bei Graz.

Shöpping bekommt durch Corona Rückenwind

Ein klarer Pandemie-Gewinner ist Pölzl zufolge die Einkaufs-Plattform "shöpping". Vor vier Jahren im Vollbetrieb online gegangen, wurde das Projekt angesichts der übermächtigen Konkurrenz von Amazon oft belächelt oder auch kritisiert, auch weil "shöpping" der Post nach wie vor Verluste beschert. Pölzl gibt sich zuversichtlich: "Der break even ist in greifbarer Nähe". Ob der Sprung in die Gewinnzone nächstes Jahr gelinge, dazu wollte er dann allerdings nichts sagen."So lange wie Amazon wollen wir nicht warten," meinte er mit einem kleinen Seitenhieb auf den alles dominierenden US-Konkurrenten Amazon, der in den ersten 20 Jahren auch keinen Gewinn abgeworfen habe. 

"Shöpping" verzeichne durch den Rückenwind von Corona jedenfalls hohe Steigerungsraten und entwickle sich hoffentlich zur "Trägerrakete für einige hundert Millionen Euro Händlerumsatz", wovon die Post eine geringe Provision erhalte, wie Pölzl erklärt. Sie sei die einzige Plattform mit rein östereichischer Wertschöpfung. Kürzlich habe man die Kastner-Gruppe als Partner dazugewonnen, die auch am Grazer Startup "myproduct" beteiligt ist, das wiederum 500 kleine regionale Produzenten aus dem bäuerlichen und Handwerklichen Bereich nun auch auf Shöpping präsentiere.

Expansion in "nahe Märkte"

Shöpping weiter auszubauen gehört zu den strategischen Zielen, für die der Aufsichtsrat am Donnerstag grünes Licht gegeben hat. Der Post-Vorstand plant unter der Überschrift "Expansion in nahe Märkte" zweierlei: Auf der einen Seite tatsächliche Zukäufe im internationalen Umfeld, die zur Post passen, auf der anderen Seite zählt Pölzl auch die verstärkte Entwicklung digitaler Angebote zu "nahen Märkten". So entwickle etwa eine eigene Tochtergesellschaft in Graz IT-Lösungen für die Logistikindustrie.

Eine weitere digitale Neuerung hatte die Post erst vor wenigen Tagen mit "daskuvert.at" vorgestellt, einer Produkt-Preisvergleichsplattform für 50 Millionen Artikel inklusive der anfallenden Versandkosten. Pölzl: "Das ist ein weiteres digitales Angebot, an dem man sieht, wo die Strategie hingeht." Grundsätzlich gehe es immer stärker um eine neue Kundenorientierung. Die klassischen Post-Kunden seien die großen Unternehmen, der Endverbraucher der Empfänger. Der ist aber nicht mehr passiv, sondern greift immer mehr in die Lieferkette ein, indem er etwa Lieferungen umdirigieren kann. Bisher sorge der typische Kunde in der Filiale vielleicht für zehn oder 20 Euro Umsatz im Jahr. Pölzl: "Wir haben uns aber entschlossen, das Postangebot zu erweitern."

Brief- und Werbepost unter Druck

Dass sogar mit ungewöhnlichen Briefmarken nicht nur Aufmerksamkeit generiert, sondern profitables Geschäft gemacht werden kann, dafür ist die Sparte "Philatelie" ein Beispiel. Der Briefmarken-Block auf Klopapier schaffte es weltweit in die Medien. 20 Millionen Euro Umsatz spielt das Drucken ungewöhnlicher Briefmarkenserien derzeit ein. Das Geschäft ist Pölzl zufolge auch profitabel. 

Die Brief- und Werbepost, noch die größte Sparte, ist allerdings seit Jahren ein langsam dünner werdender Geschäftszweig. In wenigen Jahren wird das Paketgeschäft den Bereich überholen. Bei den Briefen fielen und fallen derzeit große Versender wie Behörden aus, die Paketseite wird durch e-commerce getrieben. Heuer erfolgt hier zusätzlich ein Schub im Paketgeschäft durch die Übernahme der türkischen Aras-Gruppe, die sehr gut laufe.

Neue Briefverteil-Basen

Wegen dieser gegenläufigen Entwicklung werden jetzt die teilweise seit Jahrzehnten bestehenden 270 Brief-Verteilbasen neu "sortiert". Dabei geht es vor allem um Ersatzstandorte. 30 Basen sind bereits heuer von Übersiedlungen betroffen. Arbeitsplätze soll das nicht kosten, in der Verteilung werden sogar Mitarbeiter gesucht.

Die Zahlen der ersten drei Quartale kommentiert Pölzl "mit einem lachenden und einem weinenden Auge". Der Umsatz stieg um 2,4 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro, der Gewinn (Ebit) sackte um 37 Prozent ab auf 81,4 Millionen Euro. Nächstes Jahr soll es in allen Bereichen nicht nur mehr Menge geben, sondern auch in Bezug auf den Ertrag besser laufen - so steht es zumindest im Plan.