Dass die Coronakrise die Wirtschaft des Landes hart trifft, ist längst Tatsache. Das zeigen sowohl die Konjunkturdaten der OECD als auch jene der Nationalbank, die mit einem Einbruch von 7,2 Prozent rechnet. Die Frage ist allerdings: Wie lange dauert der Einbruch?

Antworten bietet die aktuelle Konjunkturprognose der Wirtschaftsforscher des Wifo und des IHS, die am Freitag vorgestellt wurde. Demnach ist die Krise zwar heftig, aber der Tiefpunkt bereits durchschritten.

Die Coronavirus-Pandemie beschert Österreich heuer einen nie da gewesenen Wirtschaftseinbruch von rund 7,0 Prozent sowie Rekorde bei Arbeitslosenrate und Budgetdefizit von jeweils rund 10,0 Prozent. Nächstes Jahr sollen die Wirtschaft aber gut 4,0 bis knapp 6,0 Prozent wachsen sowie der Konsum und die Investitionen anziehen, prognostizierten am Freitag die Fachleute von Wifo und IHS.

Es werde eine "tiefe, jedoch kurze Rezession in Österreich geben", so das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), wobei sich der Abschwung auf zwei Quartale beschränken sollte, so die Experten. Trotz des Wachstums 2021 werde das Vor-Corona-Niveau damit jedoch noch nicht erreicht sein. Voraussetzung ist freilich, dass es nicht erneut zu einem Shutdown kommt.

Stärkung des Wachstums

Bei der Bewältigung der Krise sollte die Wirtschaftspolitik auf eine Stärkung der Wachstumskräfte setzen, da das auch die nötige Budgetkonsolidierung erleichtere, betonte das Institut für Höhere Studien (IHS). Und es hebt hervor, dass der heurige BIP-Rückgang bei einer zweiten Covid-19-Welle größer ausfallen könnte.

Nach noch 1,6 Prozent realem Wirtschaftswachstum 2019 rechnen Wifo und IHS für heuer mit 7,0 bzw. 7,3 Prozent Abschwächung, für 2021 mit 4,3 bzw. 5,8 Prozent Plus. Die Arbeitslosenrate, die 2019 nach nationaler Rechnung 7,4 Prozent betrug, dürfte heuer auf 9,7 (Wifo) bis 10,2 (IHS) Prozent klettern und 2021 mit 8,9 bzw. 9,2 Prozent recht hoch bleiben. Nach 0,7 Prozent Budgetüberschuss gemessen am BIP im Vorjahr dürften heuer 10,3 bzw. 11,5 Prozent Budgetdefizit ins Haus stehen, 2021 dann 6,0 bzw. 4,0 Prozent Minus.

Die neue BIP-Prognose des Wifo ist übrigens kaum schlechter als jene von vor zwei Monaten. Damals, bereits fünf Wochen nach Beginn des Lockdown, hielt man 5,25 bis 7,5 Prozent BIP-Rückgang für heuer für möglich, bei der Arbeitslosigkeit freilich erst 8,7 Prozent und beim Defizit 7,4 Prozent des BIP.

Halbjahr 9,5 Prozent Minus

Das IHS geht fürs laufende erste Halbjahr von 9,5 Prozent BIP-Rückgang im Jahresabstand aus - und das Wifo nimmt an, dass in der zweiten März-Hälfte die Wirtschaftsleistung sogar um bis zu einem Viertel geschrumpft sein dürfte. Laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) betrug der Rückgang der wöchentlichen Wirtschaftsleistung im Lockdown rund 25 Prozent (Ende März bis Mitte April) bzw. 20 Prozent (Mitte April bis Anfang Mai), erinnert das IHS. Seit Anfang Mai seien es rund 10 Prozent Minus.

Denn die Schließungsschritte lösten Angebotsschocks aus - und die Zurückhaltung bei Konsum, Investitionen und Auslandsnachfrage auch Nachfrageschocks. Binnen weniger Wochen änderten sich die wirtschaftlichen Aussichten grundlegend. Angebotsseitig unter Druck kamen Sachgütererzeugung sowie Gastronomie, Beherbergung, Verkehr. Nun zeichne sich eine Erholung ab - wegen der schrittweisen Rücknahme der Eindämmungsmaßnahmen und weil sich Privathaushalte und Firmen immer mehr an gewisse bleibende Einschränkungen anpassen, so das Wifo.

Hohe Arbeitslosigkeit

Für den Arbeitsmarkt ist der Konjunktureinbruch verheerend - der langjährige Aufbau der Beschäftigung endete im März abrupt und die Arbeitslosigkeit stieg erheblich. Kurzarbeit schränkt die Negativeffekte ein und soll Menschen für die kommende Erholung in den Betrieben halten. Dennoch erwartet das Wifo für 2020 einen Rückgang der Beschäftigung um 2,1 Prozent, nach noch 1,6 Prozent Anstieg 2019 - das IHS geht von 2,5 Prozent Rückgang und dann 1,5 Prozent Anstieg aus. "Der größte Teil der krisenbedingten Anpassung auf dem Arbeitsmarkt dürfte über eine Verringerung der Arbeitszeit erfolgen", meint das Wifo. Heuer dürften um 7,0 Prozent weniger Arbeitsstunden geleistet werden, 2021 dann 4,6 Prozent mehr.

Globaler Einbruch

Auch global stürzte die Konjunktur ab - das IHS spricht vom stärksten Einbruch der Weltwirtschaft seit den 1930er Jahren. International wurde die Wirtschaftsaktivität angesichts des weltweit rasanten Anstiegs der Infektionszahlen im ersten und vor allem im zweiten Quartal in vielen Ländern drastisch eingeschränkt - durch die schrittweisen Lockerungen wird für die restliche Jahreshälfte jedoch eine allmähliche Erholung erwartet. "Im zweiten Quartal dürfte der Tiefpunkt der weltweiten Rezession erreicht worden sein, und die Weltwirtschaft sollte ab der Jahresmitte wieder expandieren", so das IHS. Aus dessen Sicht dürfte der Euroraum heuer um 8,5 Prozent schrumpfen, stärker als Österreich, und dann 2021 um 6,3 Prozent zulegen. Die Weltwirtschaft sieht man heuer um 4,8 Prozent zurückgehen, 2021 sollte sie dann um 5,3 Prozent wachsen. Stärker trifft es den Welthandel, der dürfte heuer um 13 Prozent einbrechen und 2021 mit plus 8 Prozent wieder an Fahrt gewinnen, so das IHS.

Österreichs Exporte brechen heuer wegen der weltweiten Rezession stark ein, nämlich um 14,8 Prozent aus Sicht des Wifo, dabei die Warenexporte allein um 13,5 Prozent. 2021 sollte es dann eine Steigerung um 9,5 bzw. 7,1 Prozent geben, wird erhofft. Beim IHS rechnet man für heuer mit 11,3 Prozent Rückgang der Gesamtexporte, 2021 mit 9,0 Prozent Anstieg; die Importe sieht man heuer wegen der schwachen Inlandsnachfrage 7,3 Prozent tiefer, erwartet dann aber 5,4 Prozent Plus.

Weniger Investitionen

Die Investitionen in Österreich dürften heuer um 6,5 Prozent sinken, 2021 dann 4,8 Prozent zunehmen. Laut Umfrage im Mai strichen 21 Prozent der Unternehmen Investitionsprojekte - besonders stark im Dienstleistungs- und Sachgüterbereich, weniger in der Bauwirtschaft, so das Wifo. Der Privatkonsum dürfte heuer um 5,5 Prozent schrumpfen, nimmt das Institut an, 2021 soll es durch eine wieder geringere Sparquote 4,5 Prozent Ausweitung geben.

Inflationsseitig gibt es eine Entspannung - vor allem durch die Rohölverbilligung. Im Mai lag die Inflationsrate bei 0,7 Prozent, die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) bei gut 1,5 Prozent. Heuer und nächstes Jahr dürfte die Teuerungsrate mit 0,6 bzw. 0,9 Prozent sehr gedämpft bleiben, nimmt das Wifo an, das IHS geht von 1,0 und 1,3 Prozent aus. Die im gesamten Prognosezeitraum negative Produktionslücke (Output-Gap) dürfte die Teuerung dämpfen - dadurch wirkt in der Covid-19-Krise der negative Nachfrageschock stärker als der negative Angebotsschock. Dagegen dürfte der Anstieg der Lohnstückkosten (wegen der recht hohen Lohnabschlüsse von 2019) den Preisauftrieb heuer verstärken, erklärt das Wifo.

Der Staatshaushalt wird durch die Maßnahmen der Regierung massiv belastet - allein das schon im März aufgelegte Hilfspaket umfasst 38 Mrd. Euro zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Covid-19-Folgen, samt den Mitte Juni bei einer Regierungsklausur vorgestellten Maßnahmen geht es um insgesamt 50 Mrd. Euro. Deshalb geht das IHS für heuer von einem gesamtstaatlichen Defizit von 11,5 Prozent des BIP aus, nächstes Jahr könnte das Defizit auf 4,0 Prozent zurückgehen. Beim Wifo kalkuliert man mit heuer 10,3 Prozent und 2021 dann 6,0 Prozent Defizit. 2019 hatte es noch 0,7 Prozent Maastricht-Überschuss gegeben.

Krisenkosten unsicher

Unsicherheiten gibt es laut Wifo vor allem zum erwarteten Budgetvolumen der Kurzarbeit und der Fixkostenzuschüsse. In der aktuellen Budgetprognose werden für die Kurzarbeitsbeihilfe 8,2 Mrd. Euro und für die Fixkostenzuschüsse 7,8 Mrd. Euro veranschlagt. Das liege noch deutlich unter dem vorgesehenen Höchstrahmen für beide Maßnahmen von je 12 Mrd. Euro.

"Die Abschätzung des Budgetdefizits ist mit großer Unsicherheit behaftet", sagt auch das IHS und hält nach Bewältigung der Krise jedenfalls Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung für notwendig. "Die Wirtschaftspolitik sollte durch die Förderung von Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung, Technologie und Infrastruktur die Wachstumskräfte der heimischen Volkswirtschaft stärken", wird betont. Nötig seien auch wirksame Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele. Reformen etwa in den Bereichen Pensionen und Föderalismus könnten Einsparungspotenziale heben.