Die Wiener Börse hat am Freitag im Frühhandel massive Kursverluste hinnehmen müssen. Der ATX wurde gegen 9.45 Uhr mit 2.744,44 Punkten nach 2.845,94 Einheiten am Donnerstag errechnet, das ist ein Minus von 101,5 Punkten bzw. 3,57 Prozent. Das Minus hielt sich bis Mittag.

Damit knüpfte der heimische Leitindex direkt an seinen sehr schwachen Vortag an. Am Donnerstag war er bereits um 3,85 Prozent eingebrochen. Er setzte damit auch seine jüngste Abwärtsbewegung fort. Der ATX steuert auf den siebenten Verlusttag in Folge zu.

Staatsanleihen beliebt

Im Gegenzug sind die Kurse österreichischer Staatsanleihen im Frühhandel deutlich gestiegen, was sinkende Renditen zur Folge hat. Jene der richtungsweisenden zehnjährigen österreichischen Benchmark-Anleihe ist um 4 Basispunkte auf -0,38 Prozent gefallen. Der Rendite-Spread zur vergleichbaren deutschen Anleihe lag bei 21 Basispunkten.

Der Ausverkauf an den internationalen Aktienmärkten wegen der Angst vor den Folgen der weltweiten Coronavirus-Epidemie verschärft sich: "Die Börse preist gerade einen Tsunami an Gewinnwarnungen aus den Unternehmen ein", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Die Kurse rauschten am Freitag in die Tiefe wie zu Zeiten der Finanzkrise.

Gewinne pulverisiert

Der DAX in Frankfurt fiel um bis zu 5,2 Prozent auf ein Dreieinhalb-Jahres-Tief von 11.724,12 Punkten. Mit einem Minus von insgesamt mehr als 13 Prozent steuerte er zudem auf den größten Wochenverlust seit gut elf Jahren zu. Gleiches galt für den EuroStoxx50, der am Freitag zeitweise 4,9 Prozent auf 3.285,74 Zähler verlor, den niedrigsten Stand seit sechseinhalb Monaten. "Innerhalb weniger Tage wurden die Kursgewinne der vergangenen Wochen und Monate pulverisiert", sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. "Panik macht sich breit." Mitte Februar hatte der DAX mit 13.795,24 Zählern noch ein Rekordhoch markiert.

Die Augen der Anleger richteten sich nun auf die Notenbanken als Retter in der Not, sagte Seema Shah, Chef-Anlagestrategin des Vermögensverwalters Principal Global Investors. "Die Märkte preisen nun mindestens zwei Zinssenkungen der Fed ein." Der Druck auf die anderen Zentralbanken neben den USA wachse ebenfalls. Wegen der ohnehin niedrigen Zinsen sei der Effekt solcher Maßnahmen aber fraglich.

Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade, bezeichnete die Rezessionsszenarien als Schwarzmalerei. Das weltweite Wachstum werde sich lediglich verlangsamen. "Anleger sollten den Ausverkauf als Gelegenheit sehen, denn nun haben sie die Möglichkeit, sich Top-Aktien sehr viel günstiger zu sichern als noch vor ein paar Monaten."

Öl und Gold

Dem Rohstoffmarkt blieben Schnäppchenjäger am Freitag fern. Der Preis für die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee fiel um bis zu 4,1 Prozent und war mit 50,05 Dollar (45,65 Euro) je Barrel (159 Liter) so niedrig wie zuletzt vor mehr als einem Jahr. Das wichtige Industriemetall Kupfer verbilligte sich um 1,1 Prozent auf 5.552 Dollar je Tonne.

Die "Krisen-Währung" Gold konnte ihren Aufstieg dagegen nicht fortsetzen und büßte 0,9 Prozent auf 1.627,87 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) ein. Hier lasteten Börsianern zufolge Gewinnmitnahmen auf den Kursen.

Stattdessen flüchteten Anleger in andere "sichere Häfen" wie Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen US-Bonds auf bis zu 1,155 Prozent. Das ist der fünfte Tag in Folge mit einem Rekordtief. Ihre deutschen Pendants rentieren mit minus 0,621 Prozent auf einem Fünf-Monats-Tief. Am Devisenmarkt deckten sich Investoren mit der Schweizer Währung ein. Dadurch war der Dollar mit 0,9607 Franken so billig wie seit fünf Monaten nicht.

Airlines müssen sparen

Zu den Hauptleidtragenden der Coronavirus-Epidemie gehören wegen zahlreicher Reisebeschränkungen und abgesagter Groß-Ereignisse die Fluggesellschaften. Der Branchenindex brach in den vergangenen Tagen um rund 19 Prozent ein und steuerte auf den größten Wochenverlust seit 2001 zu. Zahlreiche Firmen wie die British Airways-Mutter IAG und der Billig-Flieger EasyJet stemmen sich mit Sparprogrammen gegen die Virus-Folgen. Ihre Aktien brachen dennoch um bis zu 8,5 Prozent ein.

In die Unternehmen, die vor den Folgen der Epidemie für das eigene Geschäft warnten, reihte sich BASF ein. Der Ausblick des weltgrößten Chemiekonzerns impliziere, dass die Markterwartungen für den operativen Gewinn 2020 etwa zehn Prozent zu hoch seien, schrieb Analyst Markus Mayer von der Baader Helvea Bank. BASF-Aktien fielen um bis zu 5,4 Prozent und waren mit 52,80 Euro so billig wie zuletzt vor fast acht Jahren.

Die Titel von Novacyt stiegen dagegen zeitweise um ein Drittel auf 1,75 Euro. Die Biotechfirma unterzeichnete ein Vertriebsabkommen für einen Coronavirus-Test. Seit Monatsbeginn hat sich ihr Kurs mehr als verdreifacht.