Ja, sagt Lena Steger

Ein Pfandsystem auf Getränke-Einwegverpackungen ist volkswirtschaftlich billiger, schont die Umwelt und das Klima. Der Einzelhandel würde über eine „handling fee“ entschädigt werden. Niemand muss sich Sorgen machen.

Lena Steger ist bei der Umweltschutzorganisation Global 2000  Expertin für Nachhaltigkeit und Ressourcen
Lena Steger ist bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 Expertin für Nachhaltigkeit und Ressourcen © KK

Als Reaktion auf die weltweiten Berichte über Plastikverschmutzung in den Meeren wurde letztes Jahr die Einwegplastik-Richtlinie beschlossen, die verschiedene Maßnahmen vorsieht, um die Naturverschmutzung durch Plastik zu reduzieren. Einen Anfang stellt das Verbot von Plastikbesteck, Plastiktellern, Strohhalmen, Getränkebechern und Lebensmittelbehältern aus aufgeschäumten Kunststoffen ab Juni 2021 dar. Plastikflaschen zählen zu den am häufigsten in der Natur gefundenen Gegenständen, konnten aber nicht gänzlich verboten werden.

Daher hat man sich auf eine hohe Sammelquote geeinigt. Bis 2029 müssen mindestens 90 Prozent der Flaschen getrennt gesammelt werden, was im internationalen Vergleich nur mit einem Pfandsystem erreichbar ist. Ein Gedankenspiel: Wenn ich 30 Cent als Pfand für eine Flasche zahlen muss, dann werfe ich die leere Flasche nicht in die Natur. Würde ich es doch tun, wird sich eine andere Person diese 30 Cent nicht entgehen lassen, die Flasche aufsammeln und zum Pfandautomaten bringen. Kurzum, Verpackungen bekommen einen Wert. Ein Pfandsystem ist also die wirkungsvollste Maßnahme gegen achtloses Wegwerfen.

Von verschiedenen Akteuren wird das Nachsortieren von Restmüll als Option genannt. Doch rechtlich und stofflich kann dies nicht dem getrennten Sammeln gleichgestellt werden – die Flaschen aus dem schmutzigen Restmüll können nämlich nicht mehr als Lebensmittel-Kontaktmaterial verwendet werden. Mit einem Pfandsystem wird ein „downcycling“ von Ressourcen vermieden. Laut einer Studie des Bundesministeriums ist ein Pfandsystem zudem die volkswirtschaftlich günstigste Variante, um die EU-Vorgaben zu erreichen. Nachsortierung kostet 145 Millionen Euro jährlich, hingegen ein Pfandsystem nur 117 Millionen Euro. Der Einzelhandel würde über eine „handling fee“ für die Aufstellungs- und Betriebskosten entschädigt werden. Auch kleine Branchen wie Kioske, Trafiken und Tankstellen müssen sich keine Sorgen machen. In Estland und Litauen beispielsweise ist der Handel bei einer Geschäftsfläche unter 300 Quadratmeter nicht verpflichtet, Gebinde zurückzunehmen – kann er aber. Dazu braucht man nicht unbedingt einen Automaten, bekommt aber trotzdem pro Gebinde eine Rückzahlung. International zeigt sich, dass sich dadurch die Besucherfrequenz erhöht.

Ist ein Pfandsystem auf Getränke-Einwegverpackungen also sinnvoll? – Ja, auf jeden Fall! Es ist volkswirtschaftlich billiger, schont die Umwelt, erhält Ressourcen und ist besser fürs Klima.

Nein, sagt Peter Buchmüller

Ausbau und Betrieb eines Einwegpfandsystems verschlingen jährlich Hunderte Millionen Euro. Eine Rücknahmeverpflichtung würde vor allem kleine Nahversorger vor große Probleme stellen. Es gibt sinnvollere Lösungen.

Peter Buchmüller ist Bundesspartenobmann für den Handel in der Wirtschaftskammer Österreich
Peter Buchmüller ist Bundesspartenobmann für den Handel in der Wirtschaftskammer Österreich © WKO/KK

Die Recyclingquote für Getränkeflaschen aus Kunststoff muss bis 2028 von derzeit 70 Prozent auf 90 Prozent gesteigert werden. Um die Sammeldisziplin der Bevölkerung zu erhöhen, wird der Ruf nach einem Pfand auf Einwegflaschen laut. Was auf den ersten Blick gut klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen jedoch als Symbolpolitik. Denn ein Einwegpfand wäre weder für die Wirtschaft noch aus der Sicht des Klimaschutzes die beste Lösung. Ein Einwegpfand bedeutet enormen Aufwand für den Handel (Logistik, Verwaltung, Rücknahmemaschinen). Ausbau und Betrieb von Einwegpfandsystemen verschlingen jährlich Hunderte Millionen Euro. Eine Rücknahmeverpflichtung würde vor allem kleine Nahversorger vor große Probleme stellen (kein Stauraum, zusätzliche Personalkosten). Ein Pfandsystem bedeutet ein nicht verzinstes Darlehen der Konsumenten an das Pfandsystem. Im Klartext: Die Kaufkraft wird eine gewisse Zeit gesenkt, was in erster Linie die unteren Einkommensschichten belastet.
Derzeit gibt es für die Bevölkerung mit Gelbem Sack und Gelber Tonne rund zwei Millionen Abgabemöglichkeiten, und das rund um die Uhr. Gibt es ein Einwegpfand, sinkt die Convenience für den Konsumenten, denen weniger als 10.000 Geschäfte (samt Tankstellenshops, Gastronomie etc.) für die Rückgabe zur Verfügung stünden – und das nur zu den Öffnungszeiten. Der Preis für den Konsumenten würde steigen, da die Kosten auf den Produktpreis durchschlagen.

Um ein höheres Sammelziel zu erreichen, gibt es eine Möglichkeit, die sowohl für die Wirtschaft als auch für den Klimaschutz etwas bringt: Mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit lässt sich das bestehende österreichische Sammelsystem, das von der Wirtschaft aufgebaut wurde und international vorbildlich ist, erhalten und die Sammeldisziplin der Bevölkerung von 70 auf 75 Prozent steigern. Die restlichen 15 Prozentpunkte (die auf das 90-Prozent-Ziel fehlen) können durch Aussortierung aus dem Restmüll erreicht werden. Dazu bedarf es einer Sortieranlage, die aus dem Abfall vor dessen thermischer Verwertung Papier, Metall, Verpackungen und Nichtverpackungen, die stofflich verwertbar sind, herausholt.

Unbehandelter Abfall wird so nicht mehr verbrannt. Die Ziele Klimaschutz und Ressourcenschonung wären wesentlich besser erreicht als durch ein Einwegpfand. Denn: Durch ein Aussortieren werden nicht nur Kunststoff-Flaschen, sondern auch andere Wertstoffe gewonnen, was dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft in einem nachhaltigen Konzept entspricht.

Mehrwegflaschen sind zurück

Sind Glasflaschen wirklich so viel besser als Plastik? Unser Umwelt-Experte Günter Pilch erklärt: