Im Kammerwahlkampf fällt auf, dass Sie besonders die ÖVP aufs Korn nehmen. Sie wollen die Zweidrittelmehrheit des Wirtschaftsbundes brechen?
SABINE JUNGWIRTH: So ist es. Das noch wichtigere Ziel ist es, zweitstärkste Kraft zu werden. Wir bauen auf den Rückenwind für die Grünen.

2018 klagten Sie Bundeskanzler Sebastian Kurz, worauf die Regierung das Kinderbetreuungsgeldgesetz ändern musste. Sind Sie auf die ÖVP eingeschossen?
Eingeschossen ist übertrieben, aber natürlich ist sie in der Wirtschaftskammerwahl der relevante Gegner. Sozialdemokraten und Freiheitliche sitzen kooptiert im Präsidium und verhalten sich angepasst. Damit sind wir die einzige Opposition.

Wie geht die Reibung einher mit der türkis-grünen Koalition?
Das ist ein anderes Spielfeld, wie bei einer Landtagswahl, ich sehe da kein Problem.

Sind im Regierungsprogramm nicht viele gemeinsame Pläne?
Papier ist geduldig, es ist noch längst nicht auf den Boden gebracht. Wir haben gemeinsame Vorhaben und im Wirtschaftsbereich stehen viele unserer Pläne, vom EPU-Paket, Start-Ups, Social Business, Regional- und Kreislaufwirtschaft bis erstmals zum Thema Unternehmerinnen.

Da wollen Sie Gründerinnen besonders fördern. Was bekommen die, was Gründer nicht erhalten?
Gründerinnen sollen ein Coaching im Sinne von „Trau dich“ erhalten, damit sie mutiger an die Sache herangehen. Frauen sind vermögensmäßig schlechter gestellt, da braucht es auch etwas zur Gründung.

Viele EPUs sind Frauen. Arbeitslosenversicherung gesteht man ihnen aber auch im Regierungsprogramm nur freiwillig zu.
Ja, da muss man noch nachschärfen. Auch für die Abschaffung des Selbstbehaltes in der Krankenversicherung muss man noch Druck machen. Auch die Gewerbeordnung muss liberaler werden mit Sandboxes nicht nur für Start-Ups. Generell muss erst umgesetzt werden, was im Programm steht.

Die Grünen Wirtschaftsanliegen haben Sie ihrem Lebensgefährten Werner Kogler mit ins Regierungsprogramm geschrieben?
Die Grüne Wirtschaft hat sich in der Koalitionsverhandlung eingebracht, Werner Kogler war unseren Themen schon immer nahe.

Im Gegensatz zu Umweltministerin Leonore Gewessler ist für Sie aber schon völlig klar, dass das Dieselprivileg wegfällt?
Ich würde schon meinen, dass man das für eine echte Ökologisierung machen muss. Es ist für mich aber nachvollziehbar, dass man die Ökologisierung des Steuersystems relativ vage hineingeschrieben hat, weil in anderen Ländern auch gerade Modelle überlegt werden, wo man etwas übernehmen kann. Klar ist, dass ökologisch schädliches Verhalten steuerlich belegt und ökologisch vorteilhaftes Verhalten belohnt wird.

Würden Sie für staatliche Klimaschutzinvestitionen auch die Maastricht-Kriterien lockern oder bleiben Schulden Schulden?
Grundsätzlich soll man mit dem auskommen, das man hat. Aber oft kann man das nicht auf ein einzelnes Jahr betrachten. Notwendige Investitionen in den Klimaschutz müssen vorgezogen möglich sein, auch wenn man die Maastricht-Kriterien nicht erfüllt. Das geht in die Wirtschaft, bringt wieder Steuern und rechnet sich langfristig.

Türkis-grün wollen Vergünstigungen geben für reparierte Produkte. Auf reparierte Gebrauchtwagen dann halber Mehrwertsteuersatz von zehn Prozent?
Gebrauchtwagen sind ein falsches Beispiel, aber für Dienstleistungen von Handwerkern würden zehn Prozent das Reparieren attraktiver machen. In der Steiermark gibt es schon einen Reparaturbonus.

Für EPUs wird die Abschreibung fürs Büro daheim pauschaliert?
Ja, heute arbeitet man am Laptop auch unterwegs oder im Cafe. Die Pauschale sollte einer Monatsmiete in einem Coworkingspace entsprechen.

Sollten Sie Vizepräsidentin der Bundeswirtschaftskammer werden, was würden Sie ändern?
Es gibt kaum etwas Intransparenteres als die Wirtschaftskammer. Da muss man den Herren die Regenwürmer aus der Nase ziehen. Mein Ziel wäre mehr Kontrolle, Transaperenz und Information für die Mitglieder.

Wo haben Sie die größten Differenzen mit Harald Mahrer?
In der grundsätzlichen Betrachtung der Wirtschaft. Beim Thema Gründerinnen hat er jüngst als erstes die Senkung der Körperschaftsteuer angesprochen. Weiß er, was Gründerinnen, die oft mit einem Einzelunternehmen beginnen, wirklich beschäftigt? Wir haben ihre Anliegen und weniger die Banken und Konzerne im Blickwinkel.

Die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent geht an den EPUs vorbei?
Die Senkung der Einkommensteuerstufen ist okay, noch schöner wäre eine Universalabgabe, wo man Sozialversicherung und Steuer in einem zusammenführt. Dabei sollten die ersten 12.000 Euro Jahresgewinn abgabenfrei sein bei voller Sozialversicherung. Das wäre für die kleinen Unternehmen eine enorme Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern zahlen sie ja kaum.

Die KöSt-Senkung wäre nur etwas für Großunternehmen? Laut Mahrer sind fast 20 Prozent der Unternehmen GmbHs.  
Ja, aber der überwiegende Teil zahlt nur Mindest-KöSt. Man könnte sich die KöSt-Senkung ersparen. Wenn schon, sollte man sie progressiv senken und die ersten 40.000 Euro wirklich radikal entlasten, indem ich die KöSt auf 12,5 Prozent senke und alles darüber würde ich bei 25 Prozent Besteuerung belassen. Das ist für mich wesentlich gerechter.