Am 2. Jänner ab 4 Uhr früh, sobald die ersten der insgesamt 12.000 Mitarbeiter in einer der bisher neun Gebietskrankenkassen ihren Dienst aufnehmen, werden diese nicht nur neue E-Mail-Adressen, Website und Telefonnummern haben. Es wird auch der erste Elchtest für das türkis-blaue Prestigeprojekt der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) sein. Es ist ein „Sprung ins kalte Wasser“, sagt ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer, bis zur letzten Minute werde an der Umstellung der IT gearbeitet. Über Silvester also nimmt die ÖGK, eine der größten Versicherungsanstalten im deutschen Sprachraum, reale Formen an.

Doch was kommt auf die 7,2 Millionen Versicherten der bisher neun Gebietskrankenkassen zu? Für Wurzer gilt die Formel, wonach „alle Versicherten Gewinner“ sein würden. 20 Millionen Euro lässt sich die ÖGK die Leistungsharmonisierung auf jeweils höchstem Länderniveau kosten. Der Wechsel zur ÖGK geschieht automatisch, auch die E-Card bleibt gültig.

Alle Servicestellen der Gebietskrankenkassen bleiben erhalten, sie bekommen nur neue Logos und einen neuen Namen: „Mein Gesundheitszentrum“ mit dem Zusatz der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. Ein erster Überblick zeigt, was Versicherte und Mitarbeiter erwartet.

Gleiche Leistungen.

Trotz erster Erfolge waren bisher eine Reihe von Leistungen je nach Bundesland unterschiedlich, diese werden nun österreichweit vereinheitlich. Die Angleichung erfolgt so, dass niemand Abstriche machen muss.

Krankengeld.

Für die Auszahlung des Krankengeldes ist eine einheitliche Höchstdauer bis zu 78 Wochen vorgesehen. Bisher waren in sieben Gebietskrankenkassen nur 52 Wochen Maximalbezugsdauer vorgesehen.
Heilbehelfe. Der Maximalbetrag für Heilbehelfe und Hilfsmittel wird einheitlich auf 1342 Euro und etwa für Rollstühle und Prothesen auf 3580 Euro angehoben.

Orthopädische Schuhe.

Der Eigenkostenanteil bei orthopädischen Maßschuhen für Kinder wird gestrichen. Für Erwachsene ist eine Senkung des Selbstbehalts vorgesehen.

Krankentransporte.

Für Krankentransporte sollen in ganz Österreich in Zukunft keine Selbstbehalte mehr verrechnet werden.

CT und MRT.

Für die Computer Tomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) wurde nun in allen Bundesländern die Bewilligungspflicht bis Ende 2021 ausgesetzt. Wurzer rechnet mit einer „vorübergehenden Druckwelle“, danach soll sich die Nachfrage nach den teuren Untersuchungen wieder „einpendeln“.

Krankenstand.

Forderungen der Wirtschaft nach einer Verschärfung des Krankenstandes wurden am Dienstag einstimmig abgeschmettert. Die ÖGK soll aber eine Analyse zum Missbrauch der geltenden Regelungen erstellen, die Basis für Maßnahmen sein soll.

Defizit.

Die neue Kasse startet mit einem Millionendefizit. 2018 war von den neun GKKs noch ein Überschuss von 105 Millionen erzielt worden, für 2019 ist ein Defizit von 68 Millionen prognostiziert und 2020 werden gar 175 Millionen Euro erwartet – 1,1 Prozent des Gesamtbudgets. Laut Wurzer sei dieser Betrag „das schlechtest mögliche Ergebnis“ und „noch kein Vorschlag der ÖGK“.

Selbstverwaltung.

Immer wieder sahen vor allem Arbeitnehmervertreter die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung durch die Änderung der Zusammensetzung der Sozialversicherungsorgane in Gefahr. So stellen die Arbeitnehmer nur mehr die Hälfte und nicht mehr vier Fünftel der Vertreter. Verfassungskonform ist die neue Machtordnung aber.

Zentralisierung.

Die ÖGK spricht von einer „dezentralen Zentralisierung“. Einzelnen Bundesländern werden Aufgabenbereiche übertragen. In der Steiermark ist es die IT und die Steuerung des zentralen Kundenservice, für Kärnten gibt es keinen expliziten Fachbereich. Es soll aber „Schwerpunktsetzungen“ innerhalb dieser Bereiche geben, die wiederum die Übertragung einzelner Themen an eine – bisherige – Länderkasse ermöglichten. Bereits genehmigte Präventionsprogramme würden übrigens nicht eingestellt, sagt Wurzer: „Kein Programm, das im Laufen ist, wird gestoppt.“

Einsparungen.

Die in einer Studie genannten 1500 Stellen, die durch die Fusion eingespart werden könnten, will ÖGK-Chef Wurzer nicht bestätigen. Der Dienstpostenplan der ÖGK werde im ersten Halbjahr erstellt. Danach sollen Synergiepotenziale festgeschrieben werden – und welche Stellen über natürlichen Abgang nicht mehr nachbesetzt werden.