Sie sind als Wirtschaftsphilosoph die Kassandra der Jetztzeit. Mit dem ökologischen Kollaps sehen Sie auch den Turbokapitalismus am Ende.
ANDERS INDSET: Wir stehen vor zwei Herausforderungen, dem drohenden Klimakollaps und dem Umgang mit den neuen Technologien, insbesondere künstlicher Intelligenz. Ich glaube aber an eine emotionale Reaktion für die ökologische Herausforderung. Wir müssen in den nächsten zehn Jahren neue Technologien für das Klima entwickeln und eine absolute Kreislaufwirtschaft anstreben, aber auch Strategien finden, das zu kapitalisieren, denn wir brauchen eine stabile Wirtschaft. Das nahe Ende des Turbokapitalismus ist nicht so schlimm, nur kommen nicht neue Paradigmen mit neuen Menschen. Vielmehr wird die Autorität in Algorithmen verlagert.

Welche Rolle spielt noch der Mensch im absehbaren Machtkampf der Algorithmen?
Wir werden schon jetzt sehr stark von Technologie geleitet, sie hat keine Seele, auch wenn sie von Menschen programmiert ist. Die meisten Entwicklungen passieren unbewusst und wir können heute nicht abschätzen, welche Konsequenzen sie haben. Zum Beispiel, dass wir eine Übergangszeit haben werden, in der viele Menschen keine Arbeit haben werden. Wie gehen wir damit um?

Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle?
Ich bin für ein soziales Grundeinkommen, aber dafür brauchen wir Modelle, die wir jetzt testen müssen, wo wir es uns leisten können. Sonst geraten wir in populistische Krisen. Da sehen wir heute schon, wie fragil das ist.

Ihr Zukunftsmodell ist die Quantenwirtschaft für ein postdigitales Zeitalter. Die Quantenphysik beschreibt allerdings auch höchst labile Zustände.
Wir haben viele quantenähnliche Phänomene in der Wirtschaft. Bei Finanztransaktionen oder dem Kauf eines Hauses entsteht ein Wert erst in der Transaktion. Die Wirtschaft funktioniert nicht linear, sondern ist eine Welt der Potenzialität, ähnlich der Welle der Schrödinger-Gleichung.

BMW und Daimler contra Uber

In der Quantenwirtschaft raten Sie Unternehmen zu Kooperenz, einer Synthese aus Kooperation und Konkurrenz. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Diese Frage klärt sich bereits, nehmen wir zum Beispiel „Free Now“, die Taxi-App, die Uber herausfordert. Sie ist eine Kooperation von Daimler und BMW. Eine klassische Kooperenz. Das alte Denken – ich gewinne, du verlierst –, bei dem es nur einen Gewinner gibt, funktioniert nicht mehr. Oder nehmen wir den Handelskrieg USA-China. Google investiert 500 Millionen Dollar in JD.com, den zweitgrößten chinesischen Onlinehändler nach Alibaba und greift somit Amazon an. Kooperenz befeuert eine gesunde Rivalität. In Österreich und Deutschland glauben viele Unternehmen, dass sie mit möglichst vielen Daten selbst Schätzungen über die Kunden machen müssen. Dieses Modell wird komplett sterben. Da wird es sinnvoller, mit Google und Alibaba zusammenzuarbeiten, denn die haben durch ihre Milliarden Daten eine Vielzahl von Typen, die ein Unternehmen braucht.

Wie wird künftig innoviert?
Innovation ist „packed knowledge“, also kompaktes Wissen zur Produktverbesserung. Wirkliche Neuerfindungen passieren oft durch Fehler, von Penicillin bis zu vielen Patenten Edisons. Daher heißt es probieren, mit Mut zu Gefühlen und der Möglichkeit für Fehler.

Zur Person

Anders Indset (41) ist ein
Wirtschaftsphilosoph. Der
Norweger, der in Frankfurt/Main lebt, landete heuer mit den Büchern „Quantenwirtschaft“ und „Wildes Wissen“ Bestseller-Erfolge.

Der Innovationskongress, der größte seiner Art in Europa, findet von 12.-14. 11. in Villach statt.
Infos: innovationskongress.at