In Österreich sind Parteispenden gerade stark im Fokus der Öffentlichkeit. Wie stark sollen Wirtschaft und Politik verwoben sein?

Anders Indset: Die aktuellen Ereignisse sind sicher kein Einzelfall, das ist nicht auf Österreich beschränkt. Betrogen und belogen wurde in der Geschichte der Menschheit schon immer. Aber heute bekommen wir durch Technologie mehr Transparenz. Das ist wichtig, denn Vertrauen ist die politische Währung der Zukunft. Keiner erwartet vom Chef oder dem Politiker, dass sie perfekt sind. Man erwartet, dass sie eine klare Agenda haben, ein klares ethisches Rahmenwerk, das nicht nur kommuniziert wird, sondern auch vorgelebt wird. Das wird zur Voraussetzung für Erfolg, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik.

Wie wird sich das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik verändern?

Wir haben ja aktuell drängende Probleme, wie den Klimawandel und die Überalterung. Ein Politiker braucht hier eine Antwort, eine langfristige Vision, wie es besser werden kann. Reines Lobbying, um bekannte Mechanismen und Strukturen aufrechtzuerhalten, wird in der Zukunft nicht mehr funktionieren. Wir müssen die Herausforderungen erkennen und beim Namen nennen. Nur so können wir eine Gesellschaft entwickeln, die auf Vertrauen und Transparenz aufgebaut ist. Die Technologie wird uns dabei helfen, auch die ständige Überwachung durch soziale Medien. Sie zwingt zur Ehrlichkeit.

Doch gerade in sozialen Medien verbreiten sich Lügengeschichten über wichtige Persönlichkeiten rasant. Wie soll man hier seriöse Nachrichten und objektiven Journalismus von Werbung oder Hetze unterscheiden?

Das nenne ich die fatale Informationsgesellschaft. Es spielt keine Rolle, ob man das gut oder schlecht findet: Heute hat jeder eine Bühne. Statt nur passiv fernzusehen, kann jeder sein ganz eigenes Fernsehprogramm in die Welt senden. Aber irgendwann haben die Menschen die vielen Katzenfotos und geschmückten Lasagneteller satt. Durchsetzen wird sich das, was man Infotainment nennen kann. Wer etwas substanziell Signifikantes zu sagen hat, wird von Algorithmen gefunden, diesen intelligenten Computerprogrammen, die Inhalte in sozialen Medien und Suchmaschinen für uns filtern. Und wenn man neben Informationen auch noch Entertainment bieten kann, hat man den Jackpot. Das wird Gesellschaft und Politik verändern. Denn es bringt dann ja nichts mehr, zu lügen. Jedes Wort kann in Echtzeit validiert werden. Diese Entwicklung beginnt gerade, bald werden im Internet nur noch Inhalt und Fakten zählen.

Eine künstliche Intelligenz sucht diese Fakten für mich, überprüft die Aussagen der Politiker. Braucht es hier nicht klare ethische Regeln, einen moralischen Kompass für diese Programme?

Wir brauchen vor allem gemeinsame Spielregeln. Wenn China alles darf, aber Deutschland und Österreich nicht, dann werden wir abgehängt. Also werden globale Organisationen viel wichtiger. Wir brauchen hier neue Institutionen und müssen uns global auf irgendeine Weise einig werden.

In China entsteht gerade das Horror-Szenario, „Big Brother is watching you“ wird dort Realität. Wie soll Europa auf diese Entwicklung reagieren?

Das ist ja das Problem: Wir haben hier keine Antwort. Wir haben kein Modell, das wir China entgegensetzen können. Dort entwickelt sich eine Digitaldiktatur, durch künstliche Intelligenz gewinnen Autoritäten unheimlich an Macht. Wenn es dann auch noch wirtschaftlich profitabel ist, kann es geschehen, dass ein Land nach dem anderen dieses System übernimmt. Und dann gibt es plötzlich drei, vier Milliarden Menschen, die mit ihren Daten täglich diese Digitaldiktatur, diese Algorithmokratie bestärken. Wir sollten hier ein Europa-Modell entgegensetzen. Wir haben soviel Tradition und Geschichte, gerade mit unserer Philosophie.

Wie hilft uns das in einer zunehmend technischen Welt?

Mit strengen Sicherheitsstandards sind wir weit vorne dabei. Unsere klaren Maßstäbe für Datensicherheit und Privatsphäre können wir als Basis nutzen und so ein gemeinsames politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Modell bauen, das wir diesen Digitaldiktaturen entgegensetzen können. Aber wenn wir das nicht bald machen, laufen wir Gefahr, dass wir gefressen werden. Und dieses Risiko sollten wir nicht eingehen. Denn einmal eingeführt, kann man so eine Algorithmokratie nicht mehr rückgängig machen. Es gibt keine Rolle rückwärts.