Ein Jahrzehnt nach dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers dräuen zwei Fragen am Horizont: Zog die Welt ihre Lehren aus dieser Katastrophe? Und: Könnte sich eine Krise dieses Ausmaßes wiederholen? Atanas Pekanov, Finanzexperte des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), zieht eine zwiespältige Bilanz: „Vieles wurde gemacht, manches nicht.“

Auf der Habenseite stehen strenge staatliche Regulierungen, von Banken gerne beklagt, weil teuer. Dazu gehören etwa strengere Anforderungen an das Eigenkapital, die die Resilienz der Banken stärken sollen. „Aufsichtsbehörden beobachten die Systemrisiken heute strenger“, sagt Pekanov, etwa zu exzessives Kreditwachstum. Ob aber die nach den hemmungslosen Exzessen der Banken eingezogenen Netze beim nächsten Knall halten werden, weiß niemand. Eines sei klar: „Die nächste Rezession kommt bestimmt.“ Ob sie vom normalen Wirtschaftszyklus oder einem Schock im Finanzsystem ausgelöst werde, sei nicht vorherzusagen. „Wir sind niemals krisensicher.“

Sorge um Italiens Banken

Auch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung, betont: „Das Geschehen auf den Finanzmärkten ist seit Jahrhunderten von Krisen begleitet. Es wäre illusorisch, zu glauben, dass Krisen ein für alle Mal ausgeschlossen werden können.“ Es werde sich aber die Lehman-Krise nicht wiederholen, denn dafür sei vorgesorgt worden, so Helmenstein. Dafür nennt der Experte drei andere Krisenherde, die schlagend werden könnten: „Das beginnt mit der atemberaubend hohen Verschuldung Chinas, setzt sich fort mit den Schattenbanken, die sich weitgehend aufsichtsrechtlichen Vorschriften entziehen, und endet mit den systemischen Risiken in Italien.“ Der italienische Bankensektor mit seiner dünnen Kapitaldecke und strukturellen Schwächen bereite Sorgen. Italien wäre auch stärker von einem durch die Handelskonflikte ausgelösten Abschwung betroffen.

An der Schwelle zur Krise?

Vor den Folgen dieses weltweiten Streits warnt Christine Lagarde, Chefin des IWF, sogar eindringlich. Der eskalierende Konflikt zwischen den USA und China könnte Schwellenländer hart treffen, so Lagarde. Noch sei eine flächendeckende Ansteckung nicht zu spüren. „Das kann sich rasch ändern“, sagt die IWF-Direktorin und verweist auf Länder wie Argentinien und die Türkei, die bereis erhebliche Probleme haben.

Schwellenländer haben in den Jahren der Null-Zins-Politik der Notenbanken massiv Schulden aufgebaut. Vor allem in US-Dollar, doch in den USA steigen die Zinsen nun wieder. Hat das billige Geld die Probleme also nur zugedeckt? In Europa wiederum ist eine Folge dieser Politik, dass die Preise auf den Immobilienmärkten in die Höhe schossen. In Städten ist leistbarer Wohnraum Mangelware geworden. EZB-Bankenwächterin Daniele Nouy hält es für möglich, dass der Immobilienmarkt die nächste Krise auslösen könnte. Es wäre nicht das erste Mal. Problemen in diesem Bereich gehen oft hohe Verschuldungsgrade voraus.