Die in einen Bilanzskandal verwickelte deutsch-südafrikanische Kika-Leiner-Mutter Steinhoff will sich neu aufstellen, um einen Weg aus der Krise zu finden. Bei der Hauptversammlung in einem Konferenzhotel bei Amsterdam sprach die Aufsichtsratsvorsitzende Heather Sonn am Freitag von einer "Krise von massivem Ausmaß". Der krisengeschüttelte Möbelhändler hofft auf eine Aufarbeitung bis Jahresende.

Die Unternehmensberatung PwC, die mit der Untersuchung beauftragt wurde, werde ihre Überprüfung voraussichtlich bis Ende 2018 abgeschlossen haben, teilte das Management mit. Unklar blieb, ob der Bericht in vollem Umfang oder nur in Teilen veröffentlicht wird. Dann soll auch die noch ausstehende und testierte Bilanz für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr 2017 vorgelegt werden.

Verkäufe sollen Geld bringen

Finanzielle Stabilität und eine Senkung der Schulden nannte Steinhoff auf der Versammlung als Hauptprioritäten. Ende März beliefen sich die Schulden in der Gruppe auf 10,4 Milliarden Euro. Geld in die leeren Kassen soll unter anderem der Verkauf von Firmenwerten bringen. Für Mai ist eine Gläubigerversammlung angesetzt. Allein in Europa gehörten bis zu 150 Banken zu den Gläubigern - das ändere sich nun.

Steinhoff stehe in Kontakt mit seinen Geldgebern, um Stabilität zu erreichen und einen Restrukturierungsplan ausarbeiten zu können, sagte Interims-Vorstandschefin Sonn. Dafür zeichne sich Unterstützung ab. Der Konzern hatte sich in den vergangenen Monaten auch mit dem Verkauf von Aktienpaketen an Beteiligungen Liquidität verschafft, dies sei aber nicht nachhaltig. In Österreich wurde eine Leiner-Immobilie an Rene Benko notverkauft.

Steinhoff streamte die Konferenz live nach Kapstadt in Südafrika, wo die meisten Anteilseigner leben. Vor dem dortigen Konferenzzentrum demonstrierten unterdessen Mitglieder von Arbeitnehmerverbänden gegen den Konzern. "Finger weg von unseren Renten", stand auf den Postern.

Gewinne überhöht dargestellt

In Amsterdam sagte Sonn vor etwa 200 Anlegern, die Gruppe sei bei der Aufarbeitung der Krise auf einem guten Weg: "Ich kann berichten, dass gute Fortschritte erzielt wurden." Bis heute hätten die Experten Hunderttausende Dokumente überprüft und unzählige Gespräche mit den Beteiligten geführt. Steinhoff zufolge sind dabei bestimmte Muster bei Transaktionen festgestellt worden, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren dazu geführt hätten, dass Unternehmenswerte und Gewinne deutlich überhöht dargestellt wurden.

Der Bilanzskandal hatte Steinhoff schwer erschüttert. In verschiedenen Ländern wird gegen den Konzern ermittelt. Binnen eines Jahres wurden durch den so verursachten Kursverfall mehr als 90 Prozent des Börsenwertes vernichtet. Seitdem kämpft das Unternehmen um Schadensbegrenzung.

Die schlechten Nachrichten reißen jedoch nicht ab: Erst Anfang April gestand Steinhoff ein, dass europäische Immobilien des Konzerns deutlich weniger wert sind als angenommen. Statt der von Steinhoff veranschlagten 2,2 Milliarden Euro sei das Portfolio von einem Immobilien-Experten mit nur 1,1 Milliarden Euro bewertet worden.

Mehr als 700 Tochterfirmen

PwC versucht zur Zeit, Licht in die Transaktionen zu bringen. Ein Experte der Wirtschaftsprüfer hatte gesagt, die Untersuchung im weit verzweigten Steinhoff-Reich könne noch Monate andauern. Steinhoff bestehe aus mehr als 700 Tochterfirmen in 32 Ländern. Der Konzern muss sich zudem mit zahlreichen Klagen auseinandersetzen.

Bei der Hauptversammlung gab das Management einen ersten Überblick. Demnach beziehen sich die Ermittlungen der deutschen Justiz in erster Linie auf die Konditionen der Übernahme der deutschen Poco-Kette. Am 25. April sei eine erste Anhörung angesetzt. Die Firma hat nach eigener Darstellung korrekt gehandelt, als sie Poco in ihrem 2016er Abschluss konsolidiert hätten.

Um Poco tobt ein Rechtsstreit mit dem österreichischen kika/Leiner-Konkurrenten XXX-Lutz, dessen Eigentümer Andreas Seifert, bereits mehrere Verfahren angestrengt hat. Ursprünglich hatten sich Steinhoff und die XXXLutz-Gruppe gemeinsam an Poco beteiligt.

Aktien im Keller

Die anhaltende Ungewissheit über das wahre Ausmaß des Skandals hat innerhalb kurzer Zeit den Aktienkurs des Konzerns mit Wurzeln im niedersächsischen Westerstede massiv abstürzen lassen. Er steckt seit Ende 2017 in der Krise, als die Ermittlungen wegen Bilanzunregelmäßigkeiten begannen und Steinhoff-Chef Markus Jooste gehen musste. Die Gruppe mit ihren weltweit 150.000 Mitarbeitern zeigt sich nach eigenen Angaben kooperativ bei der Aufarbeitung der Krise.

Steinhoff hatte einst Investoren angezogen. Im Dezember 2015 hatte der Konzern die Hauptnotierung seiner Aktie von Johannesburg nach Frankfurt verlegt. Mit einer früheren Bewertung von rund 20 Milliarden Euro lag der frühere Ikea-Herausforderer zeitweise auf Augenhöhe mit den Dax-Werten E.ON und Henkel. Das ist lange vorbei: "Das Spitzen-Management muss das Richtige tun und abtreten", forderte Reuben Maleka von der Handelsgewerkschaft PSA. Fünf Monate nach dem Bilanz-Enthüllungen sei immer noch nicht klar, was wirklich passiert sei, sagte Armand Kersten vom Kleinanleger-Verband VEB. Er monierte, die Aktionäre müssten Entscheidungen treffen, ohne über wirkliche Informationen zu verfügen. Das sei die Schuld des Managements.