Werfen wir kurz den Blick zurück. Vor exakt einem Jahr hieß es, „die Grundstimmung“ in der Grazer Start-up-Landschaft – also dort, wo sich die besonders wachstums- und technologieaffinen Jungunternehmen tummeln, sei „gut“. Die konjunkturell herausfordernden Zeiten hätten die Start-ups gut überstanden, ja, sie würden sogar wieder „mutiger in die Zukunft blicken“.
Ein Jahr später finden die Initiatoren des alljährlichen Standortbarometers gänzlich andere Worte. Fand sich im elften Grazer Start-up Barometer noch Anlass für Optimismus, muss man in der zwölften Auflage deutlich tiefer bohren, um derlei zu finden. „Nach Jahren des deutlichen Aufschwungs in der Grazer Start-up-Szene schlagen die Auswirkungen der wirtschaftlich schwierigen Lage in Österreich nun auch voll bei den Gründerinnen und Gründern durch“, heißt es einleitend zum aktuellen Start-up Barometer, eine Initiative des studentischen Gründungsvereins Ideentriebwerk, des Zentrums für Entrepreneurship an der Universität Graz, des Unicorn Start-up & Innovation Hub und der Gründungsgarage.
106 teilnehmende Personen aus dem Ökosystem bewerteten in der Erhebung verschiedene Aspekte des Gründungsstandorts Graz. Ein zentraler Befund: Finanzierungsvolumen und Anzahl an Investments in Grazer Start-ups gehen „massiv zurück“, die Stimmung am Standort ist dadurch „merklich“ eingetrübt. Gar von einer „Gefährdung des Gründungsstandorts“ ist nun die Rede.
Finanzierungen rasseln nach unten
Im Schnitt wurde Graz im Barometer mit 4,97 von möglichen 7 Punkten bewertet. Womit der Wert einerseits im Vergleich mit den Vorjahren sinkt und zugleich den tiefsten Stand seit 2017 erreicht. Besonders deutlich zeigt sich der Rückgang beim Förderungsangebot: Die Bewertung dieses Standortfaktors fällt von 4,92 auf 4,29 von 7 Punkten.
Am deutlichsten abwärts geht es aber bei den eingangs bereits kurz angeschnittenen Finanzierungen. Mit 3,47 von 7 Punkten fällt die entsprechende Kategorie im Barometer auf den schlechtesten Wert seit 2016. Zum Vergleich: Selbst in den herausfordernden Jahren 2023 und 2024 lag der Wert jeweils jenseits der vier Punkte. Aus dem „abgekühlten Investitionsklima“ wurde innerhalb des österreichischen Start-up-Ökosystems inzwischen eine „ernsthafte Finanzierungskrise“ befinden die Barometer-Initiatoren.
Was das im Detail bedeutet? 57 Prozent der befragten Start-ups vermeldeten, bisher keine externe Finanzierung erhalten zu haben. Wenig Kapital kommt derzeit vor allem von Investorenseite. Konkret geben lediglich neun Prozent der Grazer Start-ups an, Unterstützung von Business Angels zu erhalten. Von Venture-Capital-Unternehmen wurden überhaupt nur zwei Prozent unterstützt.
Das wirkt freilich auch direkt auf die Wachstumspläne der prinzipiell zur schnellen Skalierung neigenden Unternehmungen: Nur 25 Prozent trauen sich in den kommenden drei Jahren ein sehr schnelles Wachstum, also über 100 Prozent, zu.
Positiv: Fachkräfte, Beratung, Events
Um nicht völlig ins Dystopische zu verfallen, seien an dieser Stelle aber auch ein paar positive Ergebnisse aus der Erhebung angeführt. Denn abseits der prekären Finanzierungssituation genießt der Start-up-Standort Graz noch immer gewisse Strahlkraft.
So wird etwa das Potenzial an qualifizierten Fachkräften 2025 so gut bewertet wie nie zuvor und auch Beratungsangebot oder Start-up-Veranstaltungen in der Stadt verharren auf konstant hohem Niveau. Auch in Sachen Gründer-Teams ist eine Verschiebung zu mehr Diversität zu bemerken: 37 Prozent der befragten Grazer Start-ups haben mindestens eine Gründerin im Gründungsteam. Dieser Wert ist wieder deutlich höher als zuletzt.
Und wie bewerten die Initiatoren des Reports selbst die nun erzielten Ergebnisse? „Die aktuelle Finanzierungslage trifft vor allem Gründerinnen und Gründer in der Frühphase“, sagt Matthias Ruhri, Präsident der Gründungsgarage. Und: „Wer heute startet, braucht mehr Geduld, mehr Eigenmittel und ein noch klareres Geschäftsmodell. Das erschwert zwar den Einstieg, kann aber langfristig zu robusteren Unternehmen führen.“
„Wir haben an sich eine gut funktionierende lokale Start-up-Umgebung“, heißt es von Bernhard Weber, Geschäftsführer des Start-up-Zentrums Unicorn an der KF-Uni. „Starken Aufholbedarf“ aber hätte man bei der „internationalen Sichtbarkeit“.
Damit die Grazer „Innovationspower ihr volles Potenzial entfalten kann, braucht es ein gemeinsames Innovations-Mindset über Institutionen, Disziplinen und Hierarchien hinweg“, sagt Elisabeth Kaufmann vom Zentrum für Entrepreneurship und angewandte Betriebswirtschaftslehre. Nur wenn „alle Akteure in Graz an einem Strang ziehen“, können „Ideen wirklich auf die Straße gebracht werden.“