Nach dem nunmehr erfolgten erstinstanzlichen Urteil in Innsbruck wird der Scheinwerfer bereits auf mögliche weitere Anklagen gegen René Benko geworfen. Die Liste der Vorwürfe ist lang, die Ermittlungsstränge sind breit gefächert.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ging zuletzt im Signa-Verfahrenskomplex mehr als zehn weiteren Sachverhaltssträngen nach. Zu den Vorwürfen zählen neben betrügerischer Krida auch Untreue, schwerer Betrug, Gläubigerbegünstigung und Förderungsmissbrauch. Im Visier hat sie mehr als ein Dutzend Beschuldigte sowie zwei Verbände. Der ermittlungsgegenständliche Gesamtschaden belaufe sich aktuell auf rund 300 Millionen Euro, hieß es Ende September seitens der Staatsanwaltschaft. 

Bei der zweiten bisher erhobenen Anklagelage, die sowohl Benko als auch eine Mitangeklagte beeinspruchten, soll der Schaden laut WKStA bei insgesamt 370.000 Euro liegen. Konkret geht es um Bargeld in Höhe von 120.000 Euro sowie zusätzlich elf hochpreisige Uhren, Manschettenknöpfe, Uhrenarmbänder und andere Gegenstände im Gesamtwert von fast 250.000 Euro. Die genannten Vermögenswerte sollen dabei in einem Tresor im Haus von Angehörigen verborgen gewesen sein. Die Mitangeklagte soll dabei geholfen haben. Der Strafrahmen liegt bei einem bis zehn Jahren Haft. Benko bestreitet die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Schwerer Betrug bei Investorengeldbeschaffung. Laut WKStA besteht der Verdacht, Benko habe einen Investor dazu verleitet, rund 5 Millionen Euro an den Sanierungsbeauftragten der Signa Holding GmbH zu überweisen. Er habe dabei vorgetäuscht, dem Investor einen ihm aus einem anderen Signa-Investment in gleicher Höhe zustehenden Dividendenbetrag, der aber noch nicht ausbezahlt worden war, im Fall von dessen Ausfall selbst zu begleichen. Die 5 Millionen sind kurz vor der Insolvenz geflossen.

Untreue bei der Vermietung des Chalet N. In einem weiteren Ermittlungsverfahren geht es um das Chalet N in Lech am Arlberg. Die Eigentümergesellschaft soll Räumlichkeiten zu Konditionen unter den Selbstkosten an René Benko und mit ihm verbundene Unternehmen vermietet haben. Der vermutete Schaden beträgt über 1,5 Millionen Euro. Gegen Verantwortliche sowie Benko als faktischen Entscheidungsträger wird wegen Untreue ermittelt.

Käuferbetrug bei Wohnprojekt „Wohnen am Belvedere“. In Wien soll es beim Wohnbauprojekt „Wohnen am Belvedere Management GmbH“ zu überhöhten Preisforderungen gegenüber Käufern gekommen sein. Ein Signa-Mitarbeiter soll überhöhte Pauschalen verrechnet haben. Die mutmaßliche Schadenssumme überschreitet die strafrechtlich relevante Grenze von 300.000 Euro. Ermittelt wird wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs.

Unvertretbares Darlehen für Signa-Berater. Gegen Verantwortliche der Signa Holding GmbH wird außerdem wegen Untreue ermittelt. Diese sollen einem Berater der Gruppe ein Darlehen über rund 17 Millionen Euro zu nicht fremdüblichen Konditionen gewährt haben - zur Finanzierung eines privaten Immobilienkaufs. Auch hier soll René Benko die Transaktion veranlasst haben.

Gläubigerbegünstigung durch Rückzahlung an Ingbe-Stiftung. Ein weiterer Ermittlungsstrang betrifft die Rückzahlung eines Darlehens über rund 15 Millionen Euro an die Ingbe-Stiftung, obwohl die Signa Prime Selection AG zum damaligen Zeitpunkt laut Verdacht bereits zahlungsunfähig war. Firmengründer Benko soll als wirtschaftlich Verantwortlicher die Rückzahlung veranlasst und dadurch eine Gläubigerbegünstigung zulasten anderer Gläubiger bewirkt haben.

Kapitalerhöhung durch „Geldkarussell“. Im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei der Signa Holding GmbH soll Benko anderen Gesellschaftern suggeriert haben, auch selbst frisches Kapital einzubringen. Tatsächlich soll ein Teil des Geldes über Umwege aus deren eigenen Einzahlungen gestammt haben - ein sogenanntes „Geldkarussell“. Der Vorwurf: Täuschung der Investoren bei der Kapitalbeschaffung.

Untreue beim Verkauf der Gardasee-Villa. Die Signa Holding GmbH soll eine Beteiligungsgesellschaft inklusive einer Villa am Gardasee - die „Villa Eden Gardone“ - an die liechtensteinische Ingbe-Stiftung verkauft haben, ohne einen entsprechenden Gegenwert zu erhalten. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Untreue.

Investmentbetrug bei Projekt in München. Ein weiterer Ermittlungsstrang betrifft ein Immobilienprojekt am Münchner Bahnhofsplatz. Benko und ein weiterer Beschuldigter sollen einen saudi-arabischen Staatsfonds zum Erwerb von Anleihen veranlasst haben. Die Mittel seien nicht wie vereinbart ins Projekt geflossen, sondern teils zweckwidrig verwendet worden.

Missbrauch von COVID-Förderung für Chalet N. Im Zusammenhang mit dem Betrieb des Chalet N in Lech wird wegen Betrugs und Fördermissbrauchs bei COFAG-Zahlungen ermittelt. Benko soll mit weiteren Personen COVID-19-Hilfsgelder für Hotelzwecke erhalten haben, deren sachgerechte Verwendung fraglich ist.

Täuschung bei Bankkredit-Verlängerung. Bei der Verlängerung eines Bankkredits sollen Verantwortliche der Signa-Gruppe, darunter Benko, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Konzerns falsch dargestellt haben. Die Ermittlungen laufen wegen schweren Betrugs.

Kapitalbeschaffung für Projekt ohne Mittelverwendung. Bei einer Kapitalbeschaffungsmaßnahme einer Signa-Projektgesellschaft soll ebenfalls nicht wie versprochen in konkrete Vorhaben investiert worden sein. Der Vorwurf gegen Geschäftsführer einer Signa-Projektgesellschaft lautet auf schweren Betrug.

Untreue bei Verkauf einer Innenstadtimmobilie. Schließlich wird auch wegen Untreue bei einer Transaktion rund um eine Innenstadtimmobilie ermittelt. Teile des Kaufpreises sollen nicht der Signa-Gesellschaft, sondern Dritten zugeflossen sein. Ein Teilbetrag wurde bereits sichergestellt.

Untreue mit Mitarbeiteraktien. Die WKStA wirft zwei Signa-Managern vor, bei der Verwaltung von Mitarbeiteraktien ihre Pflicht verletzt zu haben, indem sie einen Mitarbeiter nicht rechtzeitig über finanzielle Probleme der inzwischen insolventen Signa Prime Selection AG und den Wertverlust der Aktien informiert haben. Dem Mitarbeiter soll dadurch ein noch festzustellender Schaden entstanden sein. Gegen die zwei Manager wird wegen Untreue ermittelt.