Dietmar Schäfer, Studium an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Er war langjähriger CEO der iSi Automotive Group. Seit 2007 auch Vorsitzender der ARGE Automotive Zulieferindustrie der WKO.

Das starre Festhalten am Verbrenner-Aus 2035 ist ein Fehler – ökologisch, wirtschaftlich und industriepolitisch.

Die Realität ist alarmierend: Seit 2019 ist der europäische Automarkt um rund 20 Prozent geschrumpft. In Nordamerika blieb der Markt stabil, in China wuchs er sogar um über 20 Prozent. Während also andere Regionen florieren, verliert Europa an Boden. Ein wesentlicher Grund: Die Politik verunsichert Verbraucher und Hersteller gleichermaßen. Viele Menschen zögern beim Kauf – ist ein neuer Verbrenner noch sinnvoll, oder wird er bald verboten? Gleichzeitig schrecken hohe Preise für E-Autos und die unzureichende Ladeinfrastruktur ab. Ergebnis: Kaufzurückhaltung, sinkende Stückzahlen, Arbeitsplatzrisiken.

Noch gravierender ist die industriepolitische Schieflage. Europa setzt fast ausschließlich auf Elektromobilität – und blendet dabei alternative Technologien aus. Das nützt dem Klima wenig, denn die globale Realität sind Milliarden bestehende Verbrennerfahrzeuge. Diese lassen sich mit klimaneutralen E-Fuels dekarbonisieren. China hat das erkannt: Nachdem das Land lange als Elektroauto-Vorreiter galt, entwickelt es sich nun gezielt zum weltweit größten Produzenten synthetischer Kraftstoffe. Europa dagegen droht, sich in eine Sackgasse zu manövrieren – mit dem Risiko, technologische Vielfalt und Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft zu verlieren.

Klar ist: Elektromobilität wird ein zentraler Baustein sein. Aber sie darf nicht zur Einbahnstraße werden. Technologieoffenheit ist der Schlüssel, um Klimaziele zu erreichen, Arbeitsplätze zu sichern und Innovationen zu fördern. Wer heute starr am Verbrenner-Aus 2035 festhält, beraubt sich der Chance, flexibel auf neue technologische Durchbrüche oder geopolitische Veränderungen zu reagieren.

Darum braucht es jetzt einen Kurswechsel: keine Verbote, sondern klare CO₂-Ziele, die mit unterschiedlichen Technologien erreichbar sind – elektrisch, mit Wasserstoff oder mit synthetischen Kraftstoffen. Nur so bleibt Europa konkurrenzfähig und leistet einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz, ohne den eigenen Automobilstandort aufs Spiel zu setzen. Europa muss vom Ideologieprojekt Verbrenner-Aus abrücken – sonst gefährden wir Klima, Jobs und Wohlstand zugleich.

Der Autor: Dietmar Schäfer, Studium an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Er war langjähriger CEO der iSi Automotive Group. Seit 2007 auch Vorsitzender der ARGE Automotive Zulieferindustrie der WKO.

Sigrid Stagl, Studium der BWL und VWL an der WU Wien. Die Universitätsprofessorin und Ökonomin ist Leiterin und Gründerin des Institute for Ecological Economics der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie wurde 2024 als Österreichs Wissenschafterin des Jahres ausgezeichnet.

Das Verbrennerverbot ab 2035 ist kein ideologisches Symbol, sondern eine notwendige Weichenstellung.

Das Verbot ist ein zentrales Instrument, um die EU-Klimaziele und insbesondere die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Wer heute an der Rücknahme arbeitet, verschiebt die Rechnung in die Zukunft – und macht sie teurer. Systemische Kosten entstehen nicht dadurch, dass man Klimaziele anstrebt, sondern dadurch, dass man sie verschleppt. Wir müssen endlich rational vorgehen: Lösungen mit den systemisch geringsten Kosten identifizieren – und dann die ökonomischen Strukturen so ausrichten, dass sie diese Lösungen ermöglichen. Norwegen zeigt, wie es geht: Seit heuer werden dort keine neuen Verbrenner mehr zugelassen. Und siehe da – die Umstellung funktioniert. Für Nutzerinnen und Nutzer sind E-Autos organisierbar. Der Anschaffungspreis sinkt Jahr für Jahr, während die Betriebskosten über die Lebensdauer mittlerweile sogar günstiger sind. Mit gezielten steuerlichen Anreizen lässt sich dieser Übergang sozial verträglich gestalten.

Das größte Risiko ist nicht die Umstellung, sondern ein Zick-zack-Kurs. Klare Leitplanken fördern Innovation. Politisches Hin und Her erzeugt dagegen Unsicherheit und verursacht volkswirtschaftliche Kosten, weil Investitionen ausbleiben. Auch die Sicherung grüner Arbeitsplätze hängt von der Berechenbarkeit der Rahmenbedingungen ab. Wer heute die Ziele verschiebt, bremst die Transformation und gefährdet damit langfristig mehr Jobs, als er kurzfristig rettet.

Worum es also wirklich geht, ist die Sorge um die Autohersteller, ihre Zulieferer und die Beschäftigten. Diese Probleme sind ernst – doch sie wurden nicht durch das Verbot verschärft, sondern durch das jahrelange Verzögern der Politik. Wer jetzt nochmals auf Zeit spielt, vergrößert das Problem. Technologischer Wandel bedeutet immer, dass Altes verschwindet: Niemand rettet heute mehr die manuell betriebenen Webstühle, Pferdekutschen oder Schreibmaschinen. Verbrennermotoren in dieser Reihe zu sehen, mag schmerzen – aber es ist realistisch. Aufgabe von Industrie- und Regionalpolitik ist es daher, Neuansiedlungen zu fördern und Umschulungen zu ermöglichen, nicht den Stillstand zu verlängern. Ein Aspekt wird in der Debatte oft übersehen: Die Batterien von Elektrofahrzeugen können künftig einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung eines stärker dezentralen und erneuerbaren Energiesystems leisten. Damit geht ihre Bedeutung weit über die individuelle Mobilität hinaus.

Das Verbrennerverbot ab 2035 ist kein ideologisches Symbol, sondern eine notwendige Weichenstellung. Wer es kippt, rettet keine Arbeitsplätze, sondern verschiebt Transformation und Kosten. Rational wäre, den Übergang zu gestalten – und nicht ihn aufzuhalten.

Die Autorin: Sigrid Stagl, Studium der BWL und VWL an der WU Wien. Die Universitätsprofessorin und Ökonomin ist Leiterin und Gründerin des Institute for Ecological Economics der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie wurde 2024 als Österreichs Wissenschafterin des Jahres ausgezeichnet.