Noch immer kommen 19 Prozent der Gasimporte innerhalb der EU aus Russland. Wahlweise via Pipeline nach Ungarn und in die Slowakei. Oder als LNG, als Flüssiggas, über Umwege in Länder wie Spanien und Italien. Geht es nach der EU-Kommission, soll bald endgültig Schluss sein mit diesem Milliardengeschäft. Importe sollen schrittweise verboten werden und von 2028 an überhaupt der Vergangenheit angehören. Der Vorschlag muss nun von den EU-Ländern und dem EU-Parlament verhandelt werden, bevor die Regeln in Kraft treten können.
Für Aufregung sorgte die Position Österreichs. „Wir müssen Abhängigkeiten vermeiden und wir müssen uns deswegen auch alle Optionen offenhalten, wenn der Krieg vorbei ist beziehungsweise, wenn es zu einem Machtwechsel auch in Russland kommt“, sagte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer. Es sei eine „unkluge Idee“, sich wieder offen für eine Wiederaufnahme russischer Gasimporte zu zeigen, hieß es prompt von EU-Kommissar Dan Jorgensen.
Unschlüssige Märkte
Auch in anderer Angelegenheit geht es auf den internationalen Energiemärkten stürmisch zu. Nun ist zwar bekannt, dass kriegerische Handlungen in einer Region, in der in erheblichem Ausmaß Erdöl gefördert wird, seit jeher auch wirtschaftliche Beben auslösen. Wie stark und weitreichend dieses im Iran-Israel-Konflikt sein wird, ist zur Stunde aber noch völlig offen.
Von leichtem Zittern bis hin zu markanten Erschütterungen scheint alles möglich. Unschlüssig sind auch die Märkte: Am Freitag schoss der Ölpreis nach oben, am Montag beruhigte sich die Lage etwas, ehe am Dienstag der Preis für ein Fass Rohöl der Sorte Brent erneut nach oben kletterte – auf über 75 US-Dollar. Noch vor einem Monat spekulierten manche Experten über ein Absinken auf 30 US-Dollar, davon ist nun keine Rede mehr.
Die wichtige Straße von Hormus
Die Gründe liegen auf der Hand: Der Iran ist einer der größten Öl-Produzenten. Etwa vier Prozent der weltweiten Produktion kommt aus dem Reich der Mullahs, Hauptabnehmer ist China. Ein noch viel größeres Ausmaß nimmt die Gefahr angesichts des Einflusses des Iran auf die wichtigste Handelsstraße der Welt für Rohöl an: die Straße von Hormus.
Rund 20 Prozent des weltweit gehandelten Rohöls und ein erheblicher Teil des Erdgases werden durch den einzigen Zugang zum Persischen Golf exportiert, eine Blockade der Meerenge durch den Iran träfe die Weltwirtschaft mitten ins Herz. Stark steigende Energiepreise, sinkende Börsenkurse und ein konjunktureller Rückschlag wären die Folge. Denn die Bedeutung von Öl als Schmiermittel der Weltwirtschaft ist nach wie vor enorm, in Österreich nimmt es im Energiemix einen Anteil von 35,7 Prozent ein.
Aber selbst das aktuelle Preisniveau hat bereits erhebliche Folgen. „Eine Trendwende“ der zuletzt sinkenden Inflation zeichnet sich laut Finanzmarkt-Experten Peter Brezinschek ab. Billigere Energiepreise drücken die Inflation seit einem Jahr nach unten, zusätzlich federte der starke Euro, der seit Februar gegenüber dem Dollar zehn Prozent an Wert zulegte, den Preisauftrieb ab.
„Diese Phase der Inflationsdämpfung ist aber nun beendet“, erwartet Brezinschek. Dazu kommt, dass die Industrie einen Boden gefunden hat und die Nachfrage nach Öl steigen wird. Eine Angebotsausweitung der „Opec plus“ könnte zwar fehlende Mengen ausgleichen, der Preis für Öl dürfte aber hoch bleiben, erwartet Brezinschek.
„Ja, es gab einen deutlichen Anstieg bei den Preisen. Aber ein massiver Ölpreisschock ist das natürlich nicht“, sagt auch Wifo-Experte Josef Baumgartner. Zurzeit, auch mit Blick auf die Terminkontrakte, rechnet der Ökonom mit einem „relativ geringen direkten Effekt“ auf die Inflationsrate in Österreich. Von einem „Zehntelprozentpunkt“ spricht Baumgartner, „heuer und nächstes Jahr“. Zugleich berge die Situation im Nahen Osten gehörig Eskalationspotenzial.
Würde etwa die Straße von Hormus blockiert, „könnte auch Saudi-Arabien einen größeren Teil des saudischen Öls nicht mehr transportieren“, schildert der Wifo-Ökonom. An eine dauerhafte Blockade der Handelsroute glaubt Baumgartner aber nicht. Auch, weil „der Iran sich damit selbst ins Knie schießen würde“. Immerhin exportiere auch die Islamische Republik das eigene Öl über diese Route.