Rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutplasma. Dieses Quartett ist es, das unser Blut federführend ausmacht. Wenngleich mehr als 50 Prozent des Blutvolumens auf Plasma entfällt. Dieser Bestandteil ist es auch, um den sich das berufliche Leben Christian Scherrs dreht.
Seit März 2022 ist der Steirer für BioLife in Europa zuständig. Und damit für eine Einheit des japanischen Pharmariesen Takeda, die europaweit 35 Plasmaspendezentren mit 800 Beschäftigten betreibt – 14 Zentren davon in Österreich. Zugleich spricht Christian Scherr als Vorsitzender der IG Plasma für eine gesamte, gut angewachsene, Branche. 10.000 Beschäftigte hätten hierzulande einen Arbeitsplatz durch die Plasmaindustrie, sagt Scherr. Was die verschiedenen Unternehmen und Institutionen in diesem Segment eint: Angewiesen sind sie auf Spenderinnen und Spender.
Denn: „Plasma kann nicht künstlich hergestellt werden, es muss gespendet werden“, erzählt Scherr. BioLife selbst deckt „die gesamte Wertschöpfungskette von Plasma ab“, wie betont wird. Von der Gewinnung über die Forschung bis hin zur Produktion von Therapien. Diese kommen dann vor allem bei seltenen und komplexen chronischen Erkrankungen zum Einsatz. Aber auch in der Intensivmedizin sind die Produkte relevant.
Corona und der „Bruch“
Herausgefiltert wird Plasma aus dem Blut via „Plasmapherese“. Bei dem Verfahren wird Plasma von roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen getrennt. In Österreich kann prinzipiell jeder gesunde Mensch zwischen 18 und 60 Jahren spenden, bis zu 50 Mal im Jahr ist das möglich.
Das Problem der Branche: Seit der Pandemie gingen die Plasmaspenden weltweit zurück, in Österreich etwa um „über 20 Prozent“, wie es von Christian Scherr heißt – „Corona war der Bruch und hat Lebensgewohnheiten verändert“. Was auch in Europa zu einer zunehmenden Abhängigkeit von Plasmaimporten aus den USA führen könne. Schon jetzt werden von dort aus rund 40 Prozent des europäischen Plasmabedarfs gedeckt.
„Wien ist die Welthauptstadt der Plasmaproduktion“
In Österreich schmerzt das besonders, spielt das Land im Plasma-Kosmos doch eine historisch bemerkenswerte Rolle. Vor 60 Jahren wurde in Wien das erste europäische Plasmazentrum gegründet, noch immer genießt das Land vor allem ob „des vorhandenen wissenschaftlichen Personals Wettbewerbsvorteile“, wie BioLife-Manager Scherr erklärt. Und dabei politisch durchwegs offene Türen einrennt. „Wien ist die Welthauptstadt der Plasmaproduktion“, ließ etwa der damalige Wirtschaftsstadtrat und heutige Infrastrukturminister Peter Hanke 2021 noch wissen.
Der SPÖ-Politiker zielte auf vorhandene Infrastruktur für Gewinnung und Weiterverarbeitung und die hohe Spendenbereitschaft ab. Letztere hängt freilich eng mit der Möglichkeit zusammen, Spender zu entlohnen. Aktuell bekommen diese in Österreich pro Spende zwischen 30 und 40 Euro. „Es ist aktuell nur in vier europäischen Ländern – Österreich, Tschechien, Ungarn und Deutschland – privatwirtschaftlich möglich, Plasmapherese zu betreiben“, sagt Christian Scherr dazu. In Frankreich etwa ist die Plasmapherese staatlich gelenkt und darf nicht entschädigt werden.
Rotes Kreuz meldet Zweifel an
Österreichs Honorierung übrigens ist für die Branche wichtig, aber nicht unumstritten. Das Rote Kreuz etwa reichte sogar einmal Wettbewerbsklage gegen das Wiener Unternehmen Europlasma ein. Man wollte so verhindern, dass „plasmasammelnde Unternehmen keine überhöhten Geldbeträge mehr bezahlen“, hieß es vom Roten Kreuz. Dieses fühlte sich benachteiligt, weil man beobachtet haben will, dass ein Mehr an Plasmaspendern ein Minus bei Blutspendern zur Folge hätte. Die Plasmawirtschaft freilich sieht sich nicht als unmittelbare Konkurrenz.