Die Diskussionen um unterschiedliche CO2-reduzierte oder sogar klimaneutrale Kraftstoffe und die E-Mobilität nehmen kein Ende. Es geht um die Deutungshoheit und wer die besseren Argumente und Zahlen liefern kann, um den Glaubenskampf, der entstanden ist, zu gewinnen. Die Kernfrage lautet zugespitzt formuliert: Wird und darf der Verbrenner noch weiterleben und eine eigene Religionsgemeinschaft bilden, oder ist die E-Mobilität die monotheistische Mobilitätsreligion, an die wir glauben?
Eine aktuelle Metastudie der Denkfabrik vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland lässt zum Beispiel die E-Fuels wegen „hoher Kosten, schlechter Verfügbarkeit und ineffizienter Nutzung“ ganz schlecht aussehen – sie seien „keine keine tragfähige Alternative zum geplanten Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor“. E-Fuels werden mit mit Hilfe von CO2 aus der Umgebungsluft und grünem Wasserstoff erzeugt und geben genau jene CO2-Menge beim Verbrennen ab, die zuvor aus der Luft entnommen wurde. Sie gelten als klimaneutral.
Der Kampf um das Anwendungsgebiet alternativer Kraftstoffe
Die Klima-Allianz Deutschland gehört zu den umtriebigsten Klima-Lobbyisten, und will aufgrund der Erkenntnisse aus der Metastudie „den Fokus auf E-Autos und den öffentlichen Nahverkehr richten“. Dazu muss man wissen: Diese Metastudie ist eine systematische Übersichtsarbeit über verfügbares Wissen eines Bereichs. Immerhin betonte die Klima-Allianz, dass E-Fuels in Luft- und Schiffsverkehr „unverzichtbar“ seien. Trotzdem rechnet man hoch: Laut der Metastudie würden „150 Windkraftanlagen an Land 240.000 E-Autos mit Strom versorgen, aber nur 37.500 Verbrenner mit E-Fuels“, weil deren Gewinnung extrem energieintensiv verläuft. . „Mit derselben Strommenge könnten also mehr als sechsmal so viele Fahrzeuge elektrisch betrieben werden“, lautet die Rechnung.
Bei der eFuel Alliance sieht man diese Metastudie kritisch. „Das ist ein alter Hut“, entgegnet etwa Jürgen Roth, Präsident der efuel Alliance. „Das ist vor allem Politik-Rhetorik, Vergleiche so gewählt, dass das Ergebnis von vornherein feststeht. Wesentliche Fakten werden verschwiegen. Das Papier lasse bewusst untergehen, dass Strom aus dem Netz hochgradig CO2-intensiv sein könne. Außerdem sei man in der Lage eFuels in großen Mengen zu produzieren, wichtig sei dass man „jede Chance nütze CO2 einzusparen, von den synthetischen Kraftstoffen bis zu anderen-Treibstoffarten, die die CO2-Bilanz verbessern könnten“.
Warum Wissenschafter für alternative Kraftstoffe plädieren
Wissenschafter wie Helmut Eichlseder von der TU Graz versuchen zu vermitteln: „Selbst, wenn wir alle bis 2030 auf E-Autos umsteigen, werden wir die CO2-Ziele nicht schaffen“. Synthetische und alternative Kraftstoffe seien für das Erreichen der CO2-Ziele notwendig. Experte Georg Brasseur, TU-Graz-Professor, Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, erklärte im „Standard“, dass der Ausstieg aus dem Öl richtig und wichtig sei, „aber die Energiewende kann nur dann gelingen, wenn über Jahrzehnte fossile Energieträger mehr und mehr durch synthetisch mischbare Kraftstoffe ersetzt werden“.
In diese Kerbe schlägt eine Übersichts-Arbeit/Studie von Günther Oswald, die CO2-Emissionen und Treibstoffkosten (unterschiedliche Treibstoffarten) der meistverkauften Verbrenner (VW Golf, Skoda Octavia, Seat Ibiza) und Elektroautos (Tesla Model Y, BYD Seal und Skoda Enyaq) in Österreich anno 2024 vergleicht. Die Studie wurde von der efuel-Allianz in Auftrag gegeben.
Die können alternativen Kraftstoffe
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Arbeit:
Im Blickpunkt: HVO, auch „Klima-Diesel“ im PR-Sprech genannt. Diese Reststoff- und abfallbasierten Kraftstoffe wie Hydrotreatet Vegetable Oils (HVO) benötigen weniger Energie in der Erzeugung. Die wichtigsten CO2-Erkenntnisse aus der Oswald-Arbeit, die mit Idealdaten rechnet (WLTP-Verbrauchswerte etc.).
Kernaussage der Oswald-Arbeit: „Werden Verbrenner mit hydriertem Pflanzenöl (HVO) gefahren, können die Emissionen auf 2,6–2,7 kg CO2 auf 100 km gesenkt werden (von zuvor 13 bis 14 kg). In etwa dieselben Mengen an CO2 entstanden in Österreich durch das Laden mit dem durchschnittlichen Strommix des Jahres 2024, wobei E-Autos in der Herstellung allerdings deutlich mehr CO2 verursachen. In den Wintermonaten liegen die Stromemissionen deutlich höher.“
Bei den meistverkauften Elektro-Autos zeigt sich laut der Oswald-Arbeit folgendes Bild: Beim durchschnittlichen Strommix des Jahres 2024 werden durch den Fahrbetrieb zwischen 1,9 kg CO2 (Skoda Enyaq) und 2,2 kg CO2 (Tesla Model Y) verursacht. Diese Werte entsprechen also in etwa jenen, die beim Fahren mit HVO entstehen. Und: „In zahlreichen Nachbarländern ist der Strommix deutlich schlechter als in Österreich.“ (Quelle für CO2-Emissionen/Stromverbrauch: Electricity Maps). „In Polen verursachen E-Autos wegen des hohen Anteils an Kohlestrom im Schnitt 5,5-mal so viele CO2-Emissionen wie in Österreich. In Tschechien sind es 3,8-mal so viele Emissionen, in Deutschland ist der Ausstoß 2,6-mal so hoch – beides Hauptimportländer für Österreich.“
Natürlich fallen aber auch bei der Fahrzeugproduktion Emissionen an. Bei E-Autos sind laut der Einschätzung der Studie „diese deutlich höher als bei Verbrennern, vor allem wegen der Batterien“. Man beruft sich auf die Studie „Wann wird Autofahren grün?“ des Vereins Deutscher Ingenieure.: „Bei Verbrennern fallen demnach aktuell rund 7 bis 8 Tonnen an, bei vergleichbaren E-Autos sind es 16 bis 18 Tonnen. Unter der Annahme, dass Autos im Schnitt rund 200.000 Kilometer gefahren werden, lässt sich also sagen, dass die Emissionen, die bei der Produktion entstehen, bei E-Autos um circa 0,5 Kilogramm CO2 pro 100 Kilometer höher sind als bei Verbrennern.“
Insgesamt sieht Oswald die alternativen Kraftstoffe also im Vorteil. „Grüne optimierte Verbrenner, die mit heute tankbarem synthetischem Kraftstoff fahren, sind eine sehr gute Lösung für den Klimaschutz und die eigene Brieftasche“, sagt Stephan Schwarzer, Generalsekretär der eFuel Alliance Österreich.
Das große Streitthema Kraftstoffe/E-Mobilität: Die Kosten
Streitthema bleiben Sprit- und Ladekosten. Gibt es Optionen zum Laden in der Firma oder zu Hause, sind die Stromkosten deutlich geringer als an den Schnell-Ladestationen, sogar rund um einen Euro pro kWh – dann liegt man schnell über dem Verbrenner.
Unsere Berechnung fürs Laden zu Hause: Bei einem Strompreis von rund 30 Cent pro kWh/Haushaltsstrom (Quelle: stromrechner.at/günstigster Durchschnittswert aller Bundesländer) und einem Verbrauch von 20 kWh/100 km kommt man auf rund 6 Euro/100 km. Liegt der Verbrauch darunter, wird’s günstiger, im Winter ist der Verbrauch meist deutlich höher.
Auch bei den prognostizierten Spritkosten muss man zweimal hinschauen: Bei einem Diesel-Preis von 1,55 Euro (Quelle Öamtc, 13. 2., günstigster Preis Graz) zahlt man mit 5 Litern Verbrauch 7,75 Euro, bei 6 Litern Schnittverbrauch 9,3 Euro/100 Kilometer.
Die Kritikpunkte der Gegner
Jakob Schwarz von den Grünen hält dagegen: „Um bis 2050 klimaneutral zu werden, werden wir alle verfügbaren Technologien nutzen müssen. Diese Technologien werden in Nischen, wie Landwirtschaft, Massentransportmitteln oder in der Luftfahrt dringend gebraucht werden.” Also: Synthetische und alternative Kraftstoffe seien vornehmlich dort einzusetzen. Und: „E-Autos werden sich durchsetzen. Wir können nur entscheiden, ob wir bei dieser Entwicklung dabei sind – oder ob wir sie verschlafen und damit unsere Autoindustrie zerstören. Denn die Mengen von Bio- oder E-fuels sind nicht auf die notwendigen Mengen skalierbar.“
„Unsachliche Scheindebatten“ unter dem Deckmantel der „Technologie-Offenheit“ würden nur Zweifel an E-Autos. schüren“, so Schwarz. „Das führt zu einer Verzögerung des Umstiegs von fossilen Brennstoffen auf E-Autos. Das schwächt den Heimmarkt und damit die Innovation heimischer Automobilhersteller, die im internationalen Wettbewerb in Rückstand geraten. Das gefährdet am Ende zehntausende Jobs in Österreich. Das kann eigentlich niemand ernsthaft wollen.” Auch technisch bleibt er skeptisch: Österreich sei am Weg, bis 2030 zu 100 % sauberen Ökostrom zu erzeugen – das Argument, dass für das Laden von E-Autos auf anderem Weg Emissionen entstehen greife dann nicht mehr.
„Konkurrenz zur Nahrungserzeugung“
Der schärfste Kritikpunkt von Schwarz: „Es ist völlig unklar, wie Alternativen wie HVO – ein Treibstoff auf der Basis von Pflanzenölen – oder die sogenannten E-Fuels in der benötigten Menge hergestellt werden können. Eine Massenerzeugung von Biodiesel würde eine Flächenkonkurrenz mit der Nahrungserzeugung auslösen.“ Und er kritisiert den hohen Energieaufwand, um etwa E-fuels herzustellen. Um E-Fuels herstellen zu können, ist wesentlich mehr Energie erforderlich als für das Laden von batteriebetriebenen E-Autos. Durch die Knappheit und den hohen Energieaufwand wären E-Fuels immer wesentlich teurer für Konsument:innen.“
Interessant an den Diskussionen bleibt, wie verfahren sie sind. Was man heute nicht abschätzen kann: Schafft man es so viel grüne Energie aus Wind, Wasser und Sonne herauszuholen, um alle Bereiche (Industrie bis Mobilität) mit alternativen Kraftstoffen zu bedienen? Offen bleibt genauso, wie schnell sich Batterien weiterentwickeln, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für E-Autos und deren Reichweiten zu steigern. Nur eines scheint fix: Der Wettlauf der Technologien hat gerade erst begonnen.