Dass Österreich nach zwei Rezessionsjahren in Folge heuer einen leichten Aufschwung hinlegt, wird immer unwahrscheinlicher. „Die Frage lautet: Wird es eine schwarze Null oder eine leicht rote?“, erklärt Gunter Deuber, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI). Das von Wirtschaftsforschern erhoffte zarte Wirtschaftswachstum werde vermutlich ausbleiben.
Die Gründe für die trüberen Aussichten liegen auf der Hand: Jegliche Wachstumsprognosen setzen bei der Erholung des „darniederliegenden Konsumentenvertrauens“ (Deuber) an. Doch die bleibt schlicht aus. Denn steigende Arbeitslosigkeit nährt die Sorgen vieler um ihren Arbeitsplatz, dazu kommt der Sparkurs aufgrund der zwingenden Budgetkonsolidierung. All das ist dem Konsum nicht zuträglich.
Exporte legten Vollbremsung hin
Auch der Außenhandel entwickelt sich extrem schwach. Deuber: „Die Exporte haben erst verzögert 2024 eine Vollbremsung hingelegt.“ Bis dahin hätten viele Betriebe auf Kosten ihrer Margen die steigenden Produktionskosten im Export zu kompensieren versucht. Heuer breche der Außenhandel weiter ein. Und auch die Investitionen im Inland bleiben aus. „Drei verlorene Jahre sind sehr wahrscheinlich“, analysiert Deuber. „Inflationsbereinigt werden wir erst 2027 oder 2028 wieder das Niveau von 2022 erreichen.“ Österreich sei also aus dem Gleichgewicht: „Es fehlt das Vertrauen der Konsumenten und der Firmen. Das ist beispiellos.“
„Nicht mehr wettbewerbsfähig“
Die negativen Folgen bleiben nicht aus. Österreichische Betriebe seien international vielfach nicht mehr wettbewerbsfähig, der Heimmarkt entwickle sich extrem schwach. „Wir sind im Europavergleich pro Kopf sogar absolutes Schlusslicht bei der wirtschaftlichen Entwicklung“, warnt Deuber. „Die Bevölkerung spürt den schleichenden Wohlstandsverlust.“
Eine Konsequenz sind die weiterhin hohen Insolvenzzahlen und eine Zunahme notleidender Kredite. Vor allem bei Darlehen an kleinere und mittlere Unternehmen sei eine erhebliche Verschlechterung eingetreten. Während die Ausfallsrate bei Krediten im gesamten Bankenbereich bei moderaten 2 bis 2,5 Prozent liege, steige sie bei kleineren und mittleren Unternehmen, jahrelang verwöhnt durch Hilfszahlungen und Niedrigzinspolitik, auf fünf bis sieben Prozent an. „Das ist dramatisch“, sagt Deuber.
„Dramatische Kehrtwende“
Die hohe Investitionsquote war über lange Zeit ein Standortvorteil Österreichs, „die den Hochlohn-Standort immer abgesichert hat“, sagt Deuber. „Wird jetzt nicht mehr investiert, wird das für ein Hochlohnland zu einem extremen Problem. Wenn nicht die drastische Kehrtwende kommt, wird uns das in den nächsten Jahren nachhängen.“
„Braucht Regierung, die für Klarheit sorgt“
Die Voraussetzung für die Kehrtwende sei eine Regierung, die für Klarheit sorgt. „Es geht darum, dass man trotz fiskalischer Konsolidierung Planbarkeit hat, sich Gedanken über eine moderate Investitionsprämie macht, strukturelle Reformen angeht.“ Deuber unmissverständlich: „Das setzt eine Regierung voraus, die nicht dem Populismus verpflichtet ist.“ Es brauche ein „sinnvolles Programm zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes“.
Zwingend nötig sei es auch, den Lohnkostendruck abzufedern: „Die hohen Lohnsteigerungen kommen in der Realwirtschaft nicht an, jetzt muss man auf die Unternehmen schauen. Die künftigen Lohnrunden werden daher extrem schwierig.“