Der Wiener Leitindex ATX konnte im Gesamtjahr 2024 um 6,64 Prozent zulegen. Der ATX Total Return, bei dem auch die Dividendenausschüttungen miteinberechnet werden, konnte auf Jahressicht sogar um 12,09 Prozent dazugewinnen. Wie fällt der Blick auf das noch junge Jahr 2025 aus? Die Analysten der Erste Group um Chefanalyst Friedrich Mostböck und „Chief Analyst CEE Equity“, Christoph Schultes, sehen für heuer durchaus Potenzial. Das hat vor allem mit der engen Verzahnung von österreichischen Unternehmen mit Zentral- und Osteuropa zu tun, wo auch in diesem Jahr ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum erwartet wird. Auch die Inflation, die sich nun auf geringerem Niveau stabilisiere, sollte Aktien unterstützen, so Mostböck. Denn damit gehen auch weitere Zinssenkungen einher, die den „Risikoappetit begünstigen“. Konkret werden für die Euro-Zone 2025 vier weitere Zinssenkungen erwartet – und zwar im Jänner, März, Juni und September um jeweils 0,25 Prozentpunkte, wie Mostböck ausführt. Nach den vier Senkungen im Vorjahr liegt der Einlagenzins derzeit bei drei Prozent. 

Die Experten der Erste Group verweisen auch auf die „historisch günstigen Bewertungen“ der ATX-Titel. Das zeige sich anhand des sogenannten Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV). Diese Kennzahl misst die Jahre, in denen ein Unternehmen – rein rechnerisch – seinen aktuellen Börsenwert verdienen würde. Der Aktienkurs wird dabei ins Verhältnis zum Gewinn pro Aktie gesetzt. Derzeit liegt dieser Wert für ATX-Aktien im Schnitt bei knapp über 8 – ein auch im historischen Vergleich sehr niedriger Wert, so Schultes. Auch die attraktive Dividendenrendite wird für den ATX auf der „Habenseite“ verbucht. Für 2025 wird das Indexpotenzial bei plus zwölf bis plus 15 Prozent beim ATX Total Return Index (also inklusive Dividendenzahlungen) gesehen.

„Es gibt es eine Reihe von Aktien mit Kurspotenzial in Österreich, herauszuheben sind aktuell aus unsere Sicht Andritz, DO&CO, EVN, VIG, Voestalpine und Strabag“, so Christoph Schultes.

Bedeutungsverlust „schlimm anzusehen“

Die europäische Kapitalmarktentwicklung wird dennoch kritisch gesehen. Denn wie in anderen Wirtschaftszweigen, etwa der Industrie, sei auch hier ein zunehmender Wettbewerbsnachteil auszumachen. Ein Blick auf die globalen Aktiengewichtungen zeige, dass der US-Anteil stetig zunimmt (auf zuletzt 68 Prozent), jener von Europa indes weiter sinkt. Zum Vergleich: 2010 lag der EU-Anteil noch bei fast 30 Prozent, mittlerweile sind es nur noch 14 Prozent, die Euro-Zone kommt überhaupt nur noch auf einen Anteil von sieben Prozent. Dieser Bedeutungsverlust sei „schlimm anzusehen“, so Mostböck. Er sieht hier insbesondere in Sachen Regulierung Handlungsbedarf, denn diese fessle und schwäche europäische Unternehmen, „daher kommen wir nicht richtig vom Fleck“. Man sollte bei der „Flut an bestehenden Regulierungen ansetzen und nicht versuchen, bestehende Regulierungen durch neue Regulierungen besser zu machen. Europa dürfe sich nicht in globaler Bedeutungslosigkeit verlieren, zumal die Kapitalmarktgewichtung nicht der Gesamtwirtschaftsleistung der EU entspreche, die immer noch die zweithöchste der Welt sei, hinter den USA und knapp vor China.

Die wirtschaftliche Erholung in Europa werde weiterhin sehr moderat verlaufen, so Mostböck. Der zentral- und osteuropäische Raum sei indes „ein Wachstumsmotor“ in der EU.

Ein stärkerer Fokus, so die Prognose, werde 2025 wohl auf den Staatsverschuldungen liegen. Auch die geopolitische Tangente könnte eine Rolle spielen – und hier vor allem die Frage, wie sich die Wiederkehr von Donald Trump als US-Präsident auswirkt. Dieser an den Finanzmärkten bisher ja eher „mit Wohlwollen bedacht“ worden, es könne aber auch Unsicherheiten geben.