Kennen Sie das Kleine-Welt-Phänomen? Geprägt von Stanley Milgram, beschreibt es die globale Engmaschigkeit. So ist laut Milgram jeder sozialer Akteur mit jedem anderen über eine überraschend kurze Kette von Bekanntschaften verbunden. „Six Degrees of Separation“ nennt sich die daraus abgeleitete Idee, dass wir alle maximal sechs soziale Beziehungen voneinander entfernt sind. Dies wiederum führt uns zu SixDegrees.com, dem 1997 ins Leben gerufenen Pionier aller Netzwerke, die wir heute begrifflich unscharf „sozial“ nennen.

Profilseiten, Freundeslisten, Nachrichten. SixDegrees hatte die Funktionen alle. Zu Spitzenzeiten erreicht das Netzwerk mehr als eine Million Menschen – finanzieren wird sich die Idee dennoch nie. TheGlobe.com oder Friendster heißen weitere Wegbereiter zu Beginn der 2000er-Jahre. Auch das heute wieder begehrte LinkedIn und Kurzzeitzampano Myspace öffnen bereits 2003 die Pforten.

TheFacebook im Jahr 2004
TheFacebook im Jahr 2004 © KK

Das wirklich entscheidende Jahr aber sollte 2004 werden. Am 4. Februar veröffentlicht ein gewisser Mark Zuckerberg gemeinsam mit Kommilitonen „TheFacebook“. Zunächst als exklusive Vernetzungs-Plattform für Studierende der Elite-Uni Harvard gedacht, wird die Seite bald für andere Universitäten und große Unternehmen a la Microsoft oder Apple geöffnet. Für Zuckerberg, Psychologie- und Informatikstudent, ein Abnabelungsprozess. Sein erster Gehversuch, Facemash.com, war kläglich gescheitert.

Bei Facebook, eine Woche soll das Programmieren des Grundgerüsts gebraucht haben, verläuft die Geschichte diametral, der Zuspruch wächst und wächst. Zunächst im englischsprachigen Raum, dann schwappt es schnell über. „Am Anfang war Facebook witzig und privat. Für viele ein Herumblödelmedium“, erinnert sich Ingrid Brodnig, Autorin und Social-Media-Expertin. Witze werden gepostet, internationale Kontakte gepflegt, Fotos geteilt.

2009 etabliert Facebook den „Like“-Knopf, ein Wohlfühlelement, und schreibt erstmals schwarze Zahlen. Als die Proteste des arabischen Frühlings 2011 ausbrechen, wird Facebooks gewachsene Mobilisierungskraft augenscheinlich. Zwei Jahre später überspringt das Netzwerk die Marke von einer Milliarde aktiven Nutzern.

Zu dieser Zeit, wir schreiben das Zehn-Jahres-Jubiläum, beginnt eine andere Wahrnehmung zu wachsen. Erste Nachrufe werden geschrieben, von einer Überalterung bei Facebook ist die Rede. Eine Studie der Universität Princeton sagt gar den raschen Tod voraus, prognostiziert 2014, dass Facebook binnen drei Jahren 80 Prozent der Nutzer abhandenkommen. Tatsächlich dreht sich die öffentliche Wahrnehmung immer weiter gegen Facebook. Bei der Wahl Donald Trumps zum US-Präsident im Jahr 2016 rückt erstmals großflächige Manipulation im Netzwerk in den Fokus. Die Firma Cambridge Analytica missbraucht Facebook-Nutzerdaten für den US-Wahlkampf und die Brexit-Kampagne. Ein Datenskandal der Sonderklasse, der Facebook neben Vertrauen auch viel Geld kostet.

Im Mai 2012 geht Facebook an die Börse. Heute setzt der Konzern im Jahr mehr als 100 Milliarden Euro um.
Im Mai 2012 geht Facebook an die Börse. Heute setzt der Konzern im Jahr mehr als 100 Milliarden Euro um. © AP / Zef Nikolla

„Spätestens ab 2015, 2016 war die Leichtigkeit von Facebook weg. Und die politischen Debatten nahmen zu. Heute ist es ein sehr politischer Kanal“, fasst Expertin Brodnig zusammen. Die Abgesänge freilich wurden viel zu früh angestimmt. Zumindest, was die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer betrifft. Ende September 2023, so führt es der Konzern im Quartalsbericht aus, waren im Schnitt monatlich „3,05 Milliarden User“ auf Facebook aktiv. Um drei Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Und trotzdem hat der allumfassend anmutende Riese ein Akzeptanzproblem. Bei den Unter-18-Jährigen spielt Facebook kaum noch eine Rolle, sie tummeln sich heute auf Konkurrenzangeboten wie TikTok, Snapchat oder Instagram. „Die Alterung wird bei Facebook voranschreiten“, prophezeit auch Ingrid Brodnig – „mir scheint derzeit, es ist ein langsam verblassender Riese“.

Warum sich die Menschen dessen Fängen trotzdem nur schwer entziehen können? Neben dem Wirken des Netzwerkeffekts, weiter zieht Facebook seine Macht aus dem aufgebauten Milliardenpublikum, macht Brodnig Dreierlei mit magnetischer Wirkung aus: „Lokale Gruppen, die Organisation von Events und Geburtstagserinnerungen“. In diesem Sinne: Happy Birthday, Facebook!