Word-Programm und mehr, Zehn-Finger-System am Computer, alltägliche Büroarbeiten – das kann Nadine Griesbach alles: Weder der Rollstuhl, in dem sie sitzt, noch ihre Lernschwäche würde sie daran hindern, in einem Büro arbeiten zu können. Nur bekomme sie keine Chance, sich in der Arbeitswelt zu beweisen, erzählt die 27-jährige Oststeirerin.

630 Bewerbungen hat sie bereits geschrieben, oft mehrere am Tag. Retour kamen Absagen, manchmal nicht einmal das. "Viele sagen, dass ihr Betrieb nicht barrierefrei zugänglich ist oder sie momentan keinen Platz haben", sagt die Vorauerin, die an spastischer Tetraparese leidet.

630 Bewerbungen, viele davon Initiativbewerbungen, hat Nadine Griesbach geschrieben, manchmal mehrere am Tag
630 Bewerbungen, viele davon Initiativbewerbungen, hat Nadine Griesbach geschrieben, manchmal mehrere am Tag © Screenshot

Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen, kann ihre rechte Hand nur eingeschränkt bewegen. Mit links schreibt sie. Lesen ist ihre Leidenschaft, erzählt sie mit ruhiger Stimme, bedacht auf Sätze und Wörter, die nicht ihre Schwäche sind. "Mit Zahlen tue ich mir aber schwer", spricht Griesbach ihre Lernschwäche an.

"Ich will gebraucht werden"

Auf ihre Motivation, arbeiten zu wollen, hat das keinen Einfluss. "Ich habe Freude daran. Ich will Geld verdienen und gebraucht werden", sagt die junge Frau, die 2015 eine sogenannte teilqualifizierte Lehre als Bürokauffrau erfolgreich abgeschlossen hat. "Diese beinhaltet nicht alle Bausteine einer vollwertigen Lehre, ich kann aber selbstständig in einem Büro arbeiten", erzählt Griesbach.

"Sie kann aufgrund ihrer Ausbildung nicht sämtliche Tätigkeiten wie eine volle Bürokauffrau erledigen, aber sie arbeitet sehr gut und zuverlässig. Nadine ist so engagiert und motiviert", unterstreicht Monika Schirnhofer, die Griesbach als Arbeitsassistenz über die Initiative NEBA begleitet und unterstützt. 

Fehlende Barrierefreiheit

Gemeinsam suchen sie seit Jahren einen passenden Arbeitsplatz. "Im Grunde ist das nichts Außergewöhnliches, jeder sucht eine Tätigkeit, die seinen Kräften entspricht", sagt Schirnhofer. Mit einem Haken, die eingeschränkte Mobilität von Griesbach: Ein barrierefreies Büro und eine behindertengerechte Toilette sind notwendig, damit sie selbstständig in einem Betrieb arbeiten könne. Doch das haben viele Firmen nicht.

Monika Schirnhofer ist als Arbeitsassistenz über die Initiative NEBA tätig
Monika Schirnhofer ist als Arbeitsassistenz über die Initiative NEBA tätig © RENE STRASSER

Die Barrieren in den Köpfen

Das große Problem seien aber nicht die tatsächlichen Barrieren, die baulich gelöst werden könnten und wofür es Förderungen gibt, sondern jene in den Köpfen und die Unwissenheit, vermutet Griesbach. "Ich glaube, dass sich viele denken, um Gottes willen, ein Rollstuhl, das geht nicht. Da ist eine Hemmschwelle. Bis zu einem gewissen Grad ist es verständlich, dass sie Angst und Vorbehalte haben, ob ich alles kann. Aber ich bin keine minderwertige Arbeitskraft."

Vorbereitende und kontrollierende Tätigkeiten, Recherchearbeiten sowie Digitalisierungsprozesse, zählt Schirnhofer, die auch Firmen bei einer Anstellung von Griesbach zur Seite steht, als die Stärken von ihrem Schützling auf: "Sie kann damit Fachkräfte in einem Büro entlasten."

Mehrere Praktika hat die 27-Jährige in der Vergangenheit absolviert und in verschiedene Bereiche geschnuppert, auch in grafische Tätigkeiten, die ihr gefallen haben. "Alle waren zufrieden mit mir, so lauteten zumindest die Rückmeldungen", erzählt Griesbach.

Dann kam der Krebs

Mehr habe sich daraus aber nie ergeben, andere Chancen seien unglücklich im letzten Moment gescheitert. Etwa durch Corona oder ihre Krebserkrankung am Lymph-System im April 2022. "Ich hatte vier Chemotherapien, im August 2022 die Letzte", erzählt Griesbach.

Es war kräftezehrend, aber erfolgreich – sie ist krebsfrei und voller Hoffnung. "Für mich war klar, dass ich nach der Krankheit wieder arbeiten will. Ich würde mir einfach wünschen, dass sich Firmen melden und Interesse haben, mich kennenzulernen und ich mich vorstellen darf."