Die Lehrbücher sind aufgeschlagen, Notizbücher und Stifte liegen bereit, die Namenskärtchen sind fertig. „Was ist dein Name?“ „Woher kommst du?“ lauten die ersten Fragen. Als Antwort kommt eine beeindruckende Vielzahl an Ländern quer über den Globus, von Afghanistan bis Rumänien, von Nigeria bis Bangladesch. Eine von ihnen ist sogar erst vor einer Woche in Graz angekommen, andere sind schon seit einigen Jahren in Österreich. Manche studieren oder haben Teilzeit-Jobs, andere sind mit ihrer Familie zu Hause. Die meisten der zwölf Frauen, die hier im Stadtteilzentrum Triester Deutsch lernen, stehen noch ganz am Anfang – A1 heißt das als normiertes Sprachniveau. Eines gilt für alle: Deutsch lernen ist wichtig – aber auch eine große Herausforderung.

„Für mich ist es sehr schwer, ich bin zwar schon einige Jahre hier, aber ich habe am nächsten Tag schon wieder vergessen, was ich gelernt habe“, seufzt Ommulbanain Mohammadi aus Afghanistan. Mündlich kann sie sich durchaus gut auf Deutsch verständigen, dennoch fängt sie noch einmal auf der Basisstufe A1 an. Legt sie aber in ihrer Muttersprache Farsi los, sprudelt es aus ihr hier nur so heraus: „Gerade für uns ältere Frauen ist es sehr, sehr schwierig, Deutsch zu lernen.“ Das kann Marianne Hammani-Birnstingl bestätigen. Sie ist die Geschäftsführerin von Danaida. Der Verein ist die einzige Einrichtung in Graz, die Deutschkurse ausschließlich für Frauen und teils auch mit begleitender Kinderbetreuung anbietet – für die Frauen der erste Schritt aus der Isolation, in der sie aufgrund ihrer familiären Betreuungspflichten leben.

„Einfach nicht fair“

„Bei uns ist es üblich, dass man in der Schullaufbahn mindestens eine Fremdsprache gelernt hat, viele der Frauen haben aber überhaupt nie eine Schule besucht“, sagt Hammani-Birnstingl. Seit 30 Jahren bietet Danaida auch Alphabetisierungskurse für Migrantinnen an, die nie lesen und schreiben gelernt haben. Dass die Kurse multikulturell so bunt gemischt sind, hilft übrigens auch beim Lernen – denn so wird Deutsch die einzige gemeinsame Sprache der Teilnehmerinnen.

Schnell würden Vorwürfe fallen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund nicht genug bemühen würden, dabei seien aber auch unsere Erwartungen zu hoch: „Das ist einfach nicht fair“, sagt die Danaida-Leiterin. An den Sprachkenntnissen würden auch die meisten scheitern, wenn es um den Erwerb der Staatsbürgerschaft geht – nach sechs Jahren in Österreich muss man Deutsch auf B2-Niveau beherrschen, also auch komplexe Texte verstehen können und fließend Deutsch sprechen. Nach zehn Jahren in Österreich wird B1-Niveau gefordert, man kann also klare Standardsprache verstehen und sich zusammenhängend äußern.

4.655 Kursplätze pro Jahr

Die Frauen müssen nur für das Buch bezahlen, die Kursteilnahme ist für sie über eine Förderung der Stadt Graz kostenlos. Insgesamt 4.655 Kursplätze unterschiedlicher Trägervereine wurden im letzten Jahr über das Integrationsreferat gefördert, mehr als eine Million Euro fließt jedes Jahr in Bildungs- und Deutschförderprojekte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. „Uns ist es wichtig, dass Menschen von Anfang an eine gute Möglichkeit haben, die deutsche Sprache zu erwerben, als Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe“, sagt Integrations-Stadtrat Robert Krotzer (KPÖ). Der Kurs in der Triestersiedlung war übrigens ein großer Wunsch von ihm, denn: „Manche Frauen haben aufgrund verschiedenster Verantwortungen nicht die Möglichkeit, für Kurse weite Wege zu machen. Deshalb ist es uns wichtig, dieses Bildungsangebot gerade hier in die Nachbarschaften zu bringen.“

Nach der Kaffeepause macht Deutschlehrerin Sigrid Udier praxisnah weiter: „Ich trinke Kaffee“, „Ich trinke Tee“, ist die nächste Lektion. Die Schülerinnen schreiben es konzentriert auf, helfen sich gegenseitig. Acht Wochenstunden absolvieren sie hier, zwei Vormittage pro Woche – damit werden sie schon ein großes Stück der Herausforderung Deutsch gemeistert haben.