Strom gibt es derzeit natürlich noch keinen, die Ziegelmauern sind unverputzt, die alten Holzdecken müssen teilweise abgestützt werden. Noch braucht es einiges an Vorstellungskraft, dass man „die intimste Bühne der Stadt“ vor sich sehen kann: „Sie stehen auf der Bühne“ steht trotzdem schon jetzt hier, in einem der Wohnräume im ersten Stock, auf einem Schild geschrieben. „Eine Wand wird herausgerissen, und die Decke werden wir zum Dachstuhl hin öffnen“, sagt Hermann Götz, der Sprecher der Kunstuniversität Graz. Die Uni wird in Zukunft das Haus, für das sich die Stadt Graz vor vier Jahren einen Baurechtsvertrag sicherte, bespielen. „Damit wird die Leonhardstraße zur Campusmeile in Graz“, sagt Götz: Das Girardihaus bildet die Verbindung zwischen dem Palais Meran, Theater im Palais und Mumuth bei der Lichtenfelsgasse und der Reiterkaserne weiter stadtauswärts.

Beim heutigen Tag des Denkmals können Interessierte (nur nach Anmeldung!) erstmals das unsanierte Haus, das im Kern aus dem 16./17. Jahrhundert stammt und das jahrelang vom Abriss bedroht war, von innen sehen. Nach einer Präsentation im Theater im Palais geht es ins Haus, wo das Büro für Baudenkmalforschung Conserve viel über die alten Mauern erzählt, die mit der Generalsanierung betraute Architektin Monika Liebmann-Zugschwert beschreibt, wie sie sich der historischen Bausubstanz nähert, und die Tischlerei Holper Einblicke in die Reparatur der historischen Fenster gibt. Zu entdecken gibt es einige Details – schon von außen gut zu sehen ist das alte Straßenniveau und eine geohrte Fasche als besondere Fensterumrahmung, die bei den Vorarbeiten für die Sanierung freigelegt wurde. Im Inneren wurde das Tonnengewölbe mit Stichkappen auf die Zeit zwischen Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts datiert. Die Holzdecke in den straßenseitigen Räumen wurde als Riemenbalkendecke konstruiert, das Holz ist großteils noch original aus dem 17. Jahrhundert. Zu entdecken ist auch eine schön gestaltete, barocke Holzvolute, auf der der Streichbalken aufgelegt wurde. Entlastungsbögen wurden beim Mauerbau genutzt, um Ziegel zu sparen.

Ursprünglich wäre für heuer schon die Eröffnung geplant gewesen, das Projekt musste aber redimensioniert werden. Das kleine Werkstattgebäude im Hof ist nun nicht mehr Teil des Projekts. Einen Termin für den Start der Sanierungsarbeiten gibt es nach wie vor nicht, 2026 soll das Haus aber bespielt werden. Bis dahin ist noch viel zu tun: So wird der Eingang – der jetzt über eine enge Treppe nach oben führt – nach hinten verlegt und barrierefrei gemacht. Auch das Lokal im Erdgeschoß, der legendäre Girardikeller, der noch bis 2003 betrieben wurde und in dem Kabarettistin Lore Krainer als legendäre Wirtin unvergessen wird, benötigt eine aufwändige Sanierung, bis sich die Stadt auf Pächtersuche machen kann.

Dass das Haus mit der Sanierung ins 21. Jahrhundert geholt werden soll, wird man auch von außen erkennen: Architektin Monika Liebmann-Zugschwert, die Gewinnerin eines von KUG und GBG (Gebäude- und Baumanagement Graz GmbH) ausgeschriebenen Architekturbewerbs, hat sich dafür entschieden, das Vorstadthaus außen mit einer filigranen, „regalhaften“ Konstruktion zu betonen, die teils auf dem Dach aufgesetzt und teils den alten Torbogen neben dem Haus imitieren soll. Die Konstruktion soll auch bespielbar sein. Das gesamte Restaurierungsprojekt verstehe sich „auch als Best-Practice-Modell für ressourcenschonende und ökologisch nachhaltige Baulösungen“, sagt Vizerektorin Marie-Theres Holler. So werden etwa alle Ziegel wiederverwendet.

Was gespielt wird, entscheiden Studierende

Das inhaltliche Konzept ist ebenso ein besonderes: Die Bühne wird „nach einem europaweit richtungsweisenden Lehr- und Vermittlungskonzept von Studierenden eigenverantwortlich kuratiert und künstlerisch positioniert werden“, sagt Rektor Georg Schulz. Idealerweise sollten diese aus den verschiedensten Studienrichtungen, nicht nur Schauspiel, kommen. Ob sie sich dabei von Volksschauspieler Alexander Girardi inspirieren lassen, der hier 1850 als Sohn eines Schlossermeisters geboren wurde und gegen den Willen seines Stiefvaters als Autodidakt eine sagenhafte Karriere als Schauspieler und Sänger startete, bleibt ihnen überlassen. „Es soll ein Ort werden, an dem Kunst für alle erlebbar ist“, freut sich Beteiligungsstadtrat Manfred Eber (KPÖ) schon.

Das Girardihaus ist übrigens nicht der einzige Kulturort, der aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird: In Reininghaus laufen die Umbauarbeiten für die Tennenmälzerei, am Kaiser-Franz-Josef-Kai 50 eröffnet schon am 9. Oktober das Biedermeiertheater des Gesellenvereins als „Theaterhaus“ für die freie Szene neu. Hier hat übrigens Alexander Girardi seinen ersten Auftritt gefeiert.