Im Grazer Straflandesgericht ist am Dienstag der Prozess gegen jenen oststeirischen Arzt fortgesetzt worden, dem vorgeworfen wird, jahrelang seine vier Kinder gequält zu haben. Am dritten Verhandlungstag wurden zwei der Töchter befragt. Die 24-Jährige erklärte in Bezug auf die Selbstmorddrohungen des Vaters: "Er hätte uns erlösen können und sich auch."

Der Prozess - es ist bereits die zweite Auflage - begann am 26. Februar. Nachdem das familiäre Umfeld beleuchtet und der praktische Arzt ausführlich befragt wurde, war beim zweiten Termin der Sohn als Zeuge geladen. Diesmal wurde zunächst eine der Töchter befragt. Die mittlerweile 24-Jährige erzählte emotional sichtlich aufgewühlt und häufig unter Tränen, wie sie unter dem Verhalten ihres Vaters gelitten habe.

Richter Oliver Graf wollte zunächst wissen, wie das mit den angeklagten Selbstmorddrohungen des Mediziners gewesen sei. "Er hat immer wieder beim Essen gesagt 'Da kann ich mich gleich umbringen', auch wenn gar nichts war", schilderte die Tochter. "Haben Sie die Drohungen ernst genommen?", fragte der Richter. "Als kleines Kind schon, aber als ich älter wurde, habe ich gehofft, dass er sich umbringt." "Warum?", wollte der Vorsitzende wissen. "Ich wollte einfach nur, dass er weg ist."

Vater hielt sich Schusswaffe an den Kopf

Einmal habe sich ihr Vater eine Schusswaffe an den Kopf gehalten und gesagt: "Ich bring' mich jetzt um". Was sie da gemacht habe, fragte der Richter. "Ich habe mich zum Kachelofen gesetzt und auf den Schuss gewartet." Bei einem weiteren Vorfall kam sogar die Polizei und meinte, er solle sich zusammenreißen. Damals hatte er wieder mit einer Waffe hantiert. "Er hätte uns erlösen können und sich auch", meinte die Tochter in Hinblick auf einen möglichen Selbstmord.

Sie habe immer Angst gehabt, der Vater könne die ganze Familie umbringen. "Einmal ist er die Stiege heruntergekommen und hat die eine Hand hinter dem Rücken versteckt. Dabei hat er so gelacht, dass ich gedacht habe, jetzt erschießt er uns." Tatsächlich hatte er gar nichts in der Hand, es war nur ein "Scherz" gewesen.

Auch das verdorbene Essen, zu dem die Kinder gezwungen worden seien, war Thema. Es handelte sich um verschimmelte Marmelade auf einem Brot, wobei der Angeklagte angeben hatte, er habe den Schimmel entfernt. "Ich habe Durchfall und Bauchkrämpfe bekommen", erzählte die 24-Jährige.

Tochter sollte Schraubenzieher aus dem Bauch ziehen

Der Vater soll sie auch gezwungen haben, ihm einen Schraubenzieher zu entfernen, den er sich in den Bauch gestoßen hatte. "Ich habe das Bild nicht fassen können", meinte die Zeugin. "Sie sollen gelacht haben", warf der Richter ein. "Ja, weil er gesagt hat, er ist auf den Schraubenzieher gefallen", erklärte die Befragte.

Morphium gegen Regelschmerzen

Der Vater soll ihr Morphium verabreicht haben, wenn sie eine Blasenentzündung oder Regelschmerzen hatte. Auch ihre Depressionen behandelte der Arzt mit starken Medikamenten, die dann zu einer Abhängigkeit geführt haben sollen.

Befragung der zweiten Tochter

Am Nachmittag erfolgte die abgesonderte Befragung einer zweiten Tochter des angeklagten Arztes. Die 30-Jährige zeigte eine etwas distanziertere Haltung gegenüber den Taten, die der Staatsanwalt ihrem Vater vorwirft. Die Selbstmordversuche hatte sie offenbar nicht so ernst genommen wie ihre Schwester: "Mit der Zeit stumpft man ab", erklärte sie.

"Fast jeden Tag hat ein Kind in der Früh geweint", schilderte die 30-Jährige die häusliche Szenerie. Sie habe immer eine "panische Angst" gehabt, "man hat nie gewusst, wen er als nächstes zum Heulen bringt". Ihr Vater habe sie als "fett und hässlich bezeichnet" und immer wieder gemeint, wie "total schiach ich mit meiner Zahnspange bin". "Warum sagt man das als Vater?", fragte der Richter. "Weil es ihm Spaß macht." Er sei immer "gewissenlos mit Menschen umgegangen, er hat Spaß daran, andere zu demütigen und zu quälen".

Im Sommer wollte sie als Mädchen gar nicht zum Essen mit der Familie gehen. "Ich bin mir zu hässlich vorgekommen für meine Familie", meinte sie.

Die Selbstmorddrohungen des Vaters sah sie gelassener als ihre beiden bisher befragten Geschwister. "Ab ungefähr 17 habe ich gedacht, das sind nur Drohungen, damit wieder alles nach seinem Kopf geht." Insgesamt sei "ein schlechter Vater" gewesen: "Man hat gemerkt, das er einen nicht mag und froh wäre, wenn man nicht da wäre. Man hatte das Gefühl, man ist lästig und kostet nur Geld."

Der Prozess wird am 16. April mit der Befragung der dritten Tochter und der Mutter fortgesetzt.