Die terroristische Messerattacke von Villach, die einem 14-Jährigen das Leben kostet, davor Ende Jänner bereits der Messerangriff auf eine Pensionistin auf einem Grazer Friedhof: Solche Geschehnisse im öffentlichen Raum können Ängste davor schüren, überhaupt noch nach draußen zu gehen.

„Wenn es solche Vorkommnisse im öffentlichen Raum gibt, reagieren Menschen unterschiedlich sensibel darauf“, sagt Christian Jagsch, Psychiater und Primar am LKH Graz II. So könne es bei manchen Menschen zu Ängsten und Sorgen kommen ­– andere wiederum spüren solche Ängste nicht. „Das eigene Empfinden hängt natürlich auch von vielen Faktoren ab: Wie groß ist meine Betroffenheit, habe ich das Opfer vielleicht gekannt, kann ich mich besonders gut in das Opfer einfühlen, weil ich zum Beispiel selbst Schüler im selben Alter oder Lehrerin, Lehrer bin“, erklärt Jagsch. Eine solche emotionale Nähe steigere die Betroffenheit und eventuell auch die persönliche Angst.

Christian Jagsch, Psychiater LKH Graz II
Christian Jagsch, Psychiater LKH Graz II © kk

Das erste Gefühl, wenn ein solch traumatisches Ereignis passiert, sei meist eines der Erstarrung: „Ich fühle mich wie gelähmt, nehme die Welt wie durch einen Nebel wahr“, sagt Günter Herzog, klinischer Psychologe und Mitbegründer des Kriseninterventionsteams des Steirischen Roten Kreuz. Das sei eine normale Schutzreaktion des Menschen, da es Zeit brauche, die Geschehnisse zu begreifen und einzuordnen. Die Angst, so Herzog, komme meist erst mit etwas Verzögerung.

„Je länger ich die Situation meide, desto größer die Angst“

Führe diese Angst nun dazu, dass man das Haus gar nicht mehr verlässt, so sei das laut Psychiater Herzog „sehr ungünstig“: „Je länger ich eine Situation meide und mich davon zurückziehe, desto größer wird die Angst“, erklärt Jagsch. Man sollte jedenfalls weiterhin aktiv am Leben teilnehmen: Traut man sich in den ersten Tagen nach so einem Geschehnis wirklich nicht alleine aus dem Haus, sollte man sich bei Einkäufen oder Ähnlichem von einer anderen Person begleiten lassen. Auch Psychologe Herzog unterstreicht: „Wenn ich mich zu Hause einsperre, das Hinausgehen meide, nährt das die Angst.“ Solche vermeidungs-orientierten Ängste seien sehr häufig und können das Leben massiv beeinflussen.

Günter Herzog, klinischer Psychologe, Krisenintervention Rotes Kreuz
Günter Herzog, klinischer Psychologe, Krisenintervention Rotes Kreuz © Jürgen Brunner

Bleiben die Ängste und der Rückzug über zwei, drei Wochen bestehen, kreisen die Gedanken nur noch um dieses Thema, stellen sich Schlafstörungen ein, behindern die Ängste das tägliche Leben, weil man zum Einkaufen nicht mehr hinausgehen kann oder machen sich auch körperliche Probleme wie Herzrasen oder Panikattacken bemerkbar, dann sollte man sich professionelle Hilfe holen: Der erste Ansprechpartner kann die Hausärztin, der Hausarzt sein, auch gibt es in der ganzen Steiermark psychosoziale Beratungsstellen, eine Übersicht finden Sie hier. Promente Steiermark wiederum bietet eine kostenlose Onlineberatung an.

Das Messer als Tatwaffe fügt noch einen weiteren Aspekt zum Gefährdungsszenario hinzu: „Das Messer ist eine Nahkampfwaffe, ein Täter ist dem Opfer bei einem Angriff sehr nahe, diese Unmittelbarkeit macht noch einmal mehr Angst“, sagt Jagsch. Und: Für ein Messer braucht man keinen Waffenschein, es ist eine überall verfügbare Waffe.

Die Aufgabe der Krisenintervention sei in solchen Situationen zu zeigen: Wir sind da, wir lassen niemand mit seinen Ängsten allein. „Im Gespräch zeigen wir auch auf: Eigentlich leben wir in einem Land, in dem die Sicherheitssysteme sehr gut funktionieren und solche Ereignisse zum Glück sehr selten sind“, sagt Herzog. Eine umfassende Aufklärung der Geschehnisse und die Präsenz von Sicherheitskräften trage dazu bei, das Vertrauen in die Gesellschaft wieder zu stärken.