Die große Tragödie ist lange her und nur noch Teil einer Überlieferung. Mitte des 13. Jahrhunderts soll ein Erdbeben der Stärke 5,4 im obersteirischen Kindberg dazu geführt haben, dass die Burg eingestürzt ist. Über Schadensausmaß und Todesfälle ist nichts bekannt. Und dennoch: Die Ereignisse vor 800 Jahren, die sich heute in Chroniken nachlesen lassen, haben Potenzial bis in die Gegenwart aufzurütteln.

Mur- und Mürztal sind Erdbebengebiete

„Gerade das Mur- und Mürztal sind Erdbebengebiete“, sagt Maria-Theresia Apoloner von GeoSphere Austria. Pro Jahr gibt es rund neun Erdbeben in der Steiermark. Die meisten davon verlaufen glimpflich. Alle acht Jahre kommt es zu leichten, alle 40 Jahre zu schweren Gebäudeschäden.

Die Ereignisse der vergangenen Woche sind also kein Zufall. Ende Jänner erschütterte ein leichtes Erdbeben mit einer Magnitude von 2,3 das Gebiet einige Kilometer südöstlich von Unzmarkt-Frauenburg. Wenige Tage später folgte ein ähnlich starkes Beben in Judenburg. Gebäude wurden zwar nicht beschädigt, die Bevölkerung vernahm in beiden Fällen jedoch einen deutlichen Ruck, Stöße und ein Zittern.

Erdbebengefahr in der Steiermark.
Erdbebengefahr in der Steiermark. © GeoSphere Austria

Dass ausgerechnet die Steiermark immer wieder von spürbaren Beben betroffen ist, liegt an der geografischen Lage. In Mitteleuropa drücken die afrikanische und die europäische Platte aufeinander, worauf unter anderem die Alpen entstanden sind. „Gerade in den Ausweichregionen der Plattenüberlagerung muss jedoch die angestaute Energie entweichen – das passiert durch Erdbeben“, sagt Apoloner. Dabei reichen schon Plattenverschiebungen im Millimeterbereich, die ein Erdbeben spürbar machen.

Baunorm schützt vor Erdbeben

Grund zur Sorge müsse man hierzulande aber nicht haben. Die Baunorm verpflichtet dazu, dass Gebäude erdbebensicher errichtet werden. Ein ähnliches Schicksal wie jenes der Türkei, wo vor fast zwei Jahren mehr als 50.000 Menschen nach einem Erdbeben der Stärke fünf starben, ist nahezu ausgeschlossen. Ähnliches gilt im Übrigen für das AKW im slowenischen Krsko, das ebenfalls strengen Bauvorschriften unterliegt. „Der beste Erdbebenschutz ist im Gebäudebau verankert. Der Rest liegt im Bereich des gewöhnlichen Zivil- und Katastrophenschutz“, sagt Apoloner. Einige wichtige Vorräte, wie Wasserflaschen, Taschenlampen und Co., schaden nicht.

Inwieweit ein Beben für die Bevölkerung spürbar ist, liegt auch an der Tiefe der Plattenverschiebungen. Je tiefer in der Erde ein Beben stattfindet, desto weniger bekommt die Bevölkerung Erschütterungen zu spüren. Bei einer Tiefe zwischen fünf und 15 Kilometern wackeln jedoch jedenfalls die Wände. 

Dass mehr passiert und sich ein Schicksal wie jenes von Kindberg im Mittelalter wiederholt, ist nicht ausgeschlossen. Statistische Erhebungen von GeoSphere Austria zeigen: Ein starkes Erdbeben, das erdbebensicheres Bauen überschreitet, wird alle 475 Jahre erwartet. Zuletzt überschritt ein Beben in der Steiermark im Jahr 1964 die Skala fünf nach Richter. Damals führten die Folgen eines Bebens am Semmering zu schwereren Schäden in der Obersteiermark. Statistik kann komplex sein, es ist nicht ausgeschlossen, dass es in den nächsten Jahren zu einem stärkeren Erdbeben kommt“, sagt Apoloner. Hinzu kommt: Ein Erdbeben erhöht die Wahrscheinlichkeit für Folgebeben. In Santorin dürfte nach dem Beben Anfang Februar noch mehrere Wochen über die Erde wackeln.

Der Klimawandel dürfte zudem in den kommenden Jahren Erdbeben wahrscheinlicher machen. „Durch heftigere Regengüsse kommt es zu mehr Wasser in den Ozeanen, steigt der Druck auf den Meeresboden. Das kann Beben begünstigen. In Skandinavien führt zudem die Gletscherschmelze zu Veränderungen der Begebenheiten“, erklärt Apoloner. Die nächsten Katastrophen sind also nie ausgeschlossen.