Der Steiermark kommt am Sonntag eine Schlüsselrolle zu. Wer dort vorne liegt, gewinnt wahrscheinlich auch bundesweit. Denn: „Es gibt eine Durchmischung von Industrie, ländlichem Raum, großen und kleinen Städten“, sagte der Politologe Thomas Hofer zuletzt in der Kleinen Zeitung.
Was der Wahlkartenrekord bedeutet
Man stelle sich vor: Mehr als 231.000 Steirer sind am Sonntag im Ausland. Oder auf ausgedehntem Ausflug abseits ihrer Wohngemeinde. Oder schlimmer: krank. Ist der Großteil natürlich nicht, die Mehrheit dieser Wahlberechtigten – beinahe jeder vierte in der Steiermark – nutzte die Chance, um schon vorher zu wählen.
Das geht seit heuer vergleichsweise einfach. Die Logistik dahinter ist hingegen keine Fingerübung. Bei der Premiere, der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni, waren die Bedenken da und dort groß. Denn diese Wahlkarten müssen von den Bezirken alle am Freitagnachmittag auf die Gemeindewahlbehörden aufgeteilt und von dort in die Wahlsprengel zugestellt werden. Verschlossen und versiegelt, um noch am Wahlsonntag ausgezählt zu werden.
„Die EU-Wahl war die Aufwärmphase“, skizziert Wolfgang Wlattnig (Landeswahlbehörde). Nun seien die Bezirke und Gemeinden gut vorbereitet. Die größte Bewährungsprobe für Wlattnig, Eva Möstl und viele mehr steht am 24. November ins Haus – bei der Landtagswahl.
Nationalrat: die Vorab- und Sonntagswähler
Mit Wahlkarte gewählt haben unter anderen der steirische Neos-Spitzenkandidat Veit Dengler, Stefan Haring (LMP) oder Helmut Dallago (MFG). SPÖ-Frontmann Jörg Leichtfried und Landesparteichef Anton Lang ebenso. Am Nachmittag sind beide in der Parteizentrale in Graz, Lang rechnet mit einem Zweier vor dem Landesergebnis. Doch um an Kanzler Andreas Babler zu glauben, dafür ist der Leobner zu lange in der Politik.
Kurt Egger, der steirische ÖVP-Spitzenkandidat, will am Sonntag – nach mehrwöchiger Pause – „endlich wieder die Laufschuhe anziehen“. Gewählt wurde in einem Gymnasium in Graz-Geidorf. Landesparteichef, LH Christopher Drexler wählte in Passail, beide ÖVP-Politiker steuern am Nachmittag die Parteizentrale in Graz an. Dort sorgen die Konsequenzen aus dem Bundesergebnis schon vorab für Kopfzerbrechen.
Ehe, Zweckehe, Bündnis nach der Wahl?
Denn quält sich Schwarz-Rot in eine „Zweckehe“ im Bund, hemmt das beide Landesparteien im Landtagswahlkampf. Rückenwind bekäme nur die Steirer-FP. Wiederum vermag ein Bündnis aus FPÖ und ÖVP im Bund vor allem der Lang-SP entgegenkommen, nicht aber der Drexler-VP. Ihr würde ein erster Platz Karl Nehammers auf „den letzten Metern“ einen Motivationsschub verpassen.
Vize-Kanzler Werner Kogler (Grüne) wählte in Graz-Andritz, der einzige steirische ÖVP-Minister Martin Polaschek in Graz-Waltendorf. Eine Volksschule weiter in Graz-St. Peter machte FPÖ-Landeschef Mario Kunasek das „Kreuzerl“. Spitzenkandidat Hannes Amesbauer hat daheim im Mürztal Wahldienst. Ein Stimmenzugewinn ist den Blauen in der Grünen Mark laut Umfragen sicher, ob daraus ein „Turbolader“ für die Landtagswahl werden kann, wird im Bund mitentschieden.
Fensterputzen gegen Anspannung
Ob die KPÖ den Sprung ins Parlament schafft, lautet eine spannende Frage am Sonntag. Umfragen sahen die Kommunisten zuletzt knapp unter der Vier-Prozent-Hürde. Aufgegeben hat die Hoffnung der steirische Spitzenkandidat Hanno Wisiak freilich nicht. Er wählte am Hasnerplatz, später geht es auf den Rosenhain. KP-Landeschef Robert Krotzer probiert am Sonntag etwas aus, das ihn schon beim Warten auf die Wahlergebnisse in Salzburg wunderbar ablenkt hat. „Wir haben damals die Fenster im Salzburger Volksheim geputzt.“ Am 29. 9. putze Krotzer die Fenster zuhause.
Am meisten Mandate im Großraum Graz
Von den 183 Sitzen im Nationalrat entfallen 27 auf die Steiermark. Auf Basis der Bevölkerungszahlen kam es zu einer Verschiebung in den Wahlkreisen: Die Weststeiermark hat einen Sitz mehr (5 insgesamt), die Obersteiermark eines weniger (7). Unverändert blieben die Oststeiermark (6) und Graz und Umgebung (9).
Graz, das unbekannte Wesen
Die Stadt Graz ist bekannt (oder berüchtigt) für seine Wechselwähler: Je nach Ebene ist einmal die SPÖ vorne (zuletzt bei der EU-Wahl), mal die KPÖ (Gemeinderatswahl), mal die ÖVP (Landtagswahl), auch die Grünen lachten schon von Platz eins. Kein Wunder, dass SPÖ oder Neos vor wenigen Tagen noch einmal die „erste Garnitur“ in die Murstadt schickten.
Die KPÖ spekuliert natürlich damit, im Wahlkreis Graz und Umgebung ein Grundmandat zu holen. Dafür wären aber gut 26.000 Stimmen oder mehr als elf Prozent notwendig.
Nationalratswahl: Bierpartei bis Wandel
Am Stimmzettel stehen elf Listen. Für LMP (Liste Madeleine Petrovic) geht Stefan Haring in der Steiermark ins Rennen, er wählte schon via Briefwahl und wird am Wahlabend in Wien sein.
Auch Helmut Dallago (MFG) hat seine Stimme „bereits per Briefwahl abgegeben“. Die Hochrechnung verfolgt er in Wien. Das gilt wohl ebenso für die steirische Bierpartei-Spitzenkandidatin Eva-Maria Loigge, die in Wien lebt.
Doro Blancke (Wandel/Keine) wählte unterdessen am Sonntagvormittag in der Grazer Innenstadt. Leider erkrankt sei Gaza-Spitzenkandidatin Israa El-Haddad, schreibt Mitstreiter Franz Sölkner. Die erste Hochrechnung will man sich gemeinsam via Handys am Grazer Hauptplatz ansehen.
Die vier Wahlkreise
Vier Regionalwahlkreise entfallen auf die Steiermark: Graz und Umgebung, die Ober-, Ost und Weststeiermark. Kurzer Rückblick:
In Graz und Umgebung holte die ÖVP 2019 als einzige mehr als 30 Prozent, SPÖ und FPÖ verloren deutlich. Die Grünen rauschten damals um 17 Prozentpunkte nach oben. Die Neos stiegen auf knapp zehn Prozent.
In der Oststeiermark erreichten die Türkisen 2019 sogar knapp 49 Prozent, Rot und Blau büßten Stimmen ein, die Grünen kamen auf gut neun Prozent. Ähnlich das Bild im Westen: Ein Vierer vorne bei der Kurz-Partei, Gewinne für die Grünen, teils starke Verluste bei FP und SP.
Und in der Obersteiermark legte die ÖVP kräftig zu, die SPÖ verlor, die FPÖ verlor stark; die Grünen verbesserten sich stark, die Neos legten zu.