Gratulation, Sie sind Doppelweltmeister. Aber, Hand aufs Herz: Hätten Sie nach Ihrer Fahrt gedacht, dass das reichen wird?
VINCENT KRIECHMAYR: Nein, habe ich nicht. Ich habe ja gemerkt, dass es mich vor der Traverse ein wenig runtergedrückt hat, es hat mich auch im Flachen ein paar Mal aus der Hocke gezogen. Aber den Mittelteil, den habe ich offenbar ganz gut erwischt.

Wann haben Sie denn begonnen, mit Gold zu spekulieren?
Na ja, als die großen Favoriten dann im Ziel waren. Und als Dominik (Paris, Anm.) hinten war, auch Mothe (Matthias Mayer, Anm.) ausgeschieden ist – für den war es sehr schade, denn der wäre schnell gewesen – und auch Beat, dann hat man schon einmal rechnen können.

Was denkt man bei der langen Wartezeit?
Natürlich hofft man, denkt man – und dann denkt man wieder, dass die Fahrt doch nicht perfekt war. Da passiert viel im Kopf. Man wünscht sich, dass keiner mehr kommt und einem die Goldmedaille wegschnappt. Und wenn es so sein sollte, wäre es auch verdient gewesen.

Warum haben Sie sich eigentlich für die Nummer 1 entschieden? Ein Zeichen des großen Selbstvertrauens?
Ich darf ja erst als Fünfter aussuchen und wir haben das vorher mit den Trainern besprochen. Ich hätte die Nummer 1 nehmen können oder ab Nummer 11 aufwärts. Und da war mir klar: Ich will dieses Rennen eröffnen.

Ihr Cheftrainer Andreas Puelacher sagt, dass Sie ein Perfektionist sind, sich früher mitunter selbst im Weg standen und jetzt lockerer seien. Stimmt das?
Ob ich mir im Weg gestanden bin? Das Schöne am Skisport ist, dass es das perfekte Spiel, das in anderen Sportarten möglich ist, nicht gibt. Man findet immer etwas, was besser gegangen wäre, man will sich immer steigern. Heute wäre es ja auch definitiv besser gegangen.

Aber die WM, die ist schon perfekt mit zwei Goldenen, oder?
Ja, die WM ist natürlich perfekt! Damit hätte ich sicher nicht gerechnet. Diesmal war das Glück eben auf meiner Seite. Ich war oft knapp hinter dem Podest oder knapp am Sieg. Dass das jetzt so zurückkommt, ist schon unglaublich.

Österreich ist eine Abfahrtsnation. Ist deswegen die heutige Goldene auch mehr wert?
Also die Medaillen schauen sehr gleich aus. Die Abfahrt ist die Königsdisziplin, ja, aber die Super-G-Goldene ist mir sehr viel wert. Weil da bin ich als großer Favorit ins Rennen gegangen und habe das dann auch bewiesen. In der Abfahrt war ich doch ein bisserl der Außenseiter. Für mich haben deshalb beide den gleichen Stellenwert, ich nehme beide gerne an.

Vor Ihnen ist mit Hermann Maier und Bode Miller nur zwei Skifahrern das „Double“ bei einer WM gelungen. Sind Sie nun auch eine Skilegende?
Ich werde mich sicher nicht mit Hermann Maier und Bode Miller vergleichen, die waren ja auch noch Olympiasieger, Gesamtweltcupsieger und weiß Gott was.

Darf man sich nach zwei Goldenen was gönnen?
Ich bin keiner, der Wert auf materielle Dinge legt. Die Medaille ist schön, aber das Gefühl, Weltmeister zu sein, ist, Verzeihung für den Ausdruck, wesentlich geiler. Selbst wenn ich die Medaille verlieren tät’, wäre mir das zwar nicht gleich, aber ich würde es verschmerzen. Diese WM-Titel kann mir keiner mehr nehmen.

Die Freude und das Gefühl bleiben in Ihnen?
Ja, genau. Ich genieße eben eher still und reflektiert. Wenn man so lange arbeitet und es dann so funktioniert und gefühlt fast leicht von der Hand geht – also, das Glück war schon auch auf meiner Seite –, dann ist das schon was Spezielles.