Auf der Streif ist heute Ruhetag. Zumindest, was die Rennläufer betrifft, denn Training gibt es keines. Zwei Läufe sollen genügen, heißt es. Für die meisten Läüfer eine Wohltat, dass sie sich nicht ein drittes Mal über die brutale Streif plagen müssen. Im ersten Training setzten sich die Favoriten durch  - mit dem negativen Beigeschmack der Verletzung von Max Franz.

Bestzeit erzielte der Franzose Adrien Theaux, der Sieger von Santa Caterina, vor Hannes Reichelt und Aksel Lund Svindal, die sich schon zuletzt in Wengen ein enges Duell um den Sieg geliefert haben. Und Reichelt atmete tief durch: "Der Steilhang und die Hausbergkante und Traverse sind nicht ohne. Da musst du das Herzerl in die Hand nehmen, definitiv. Wenn du am Limit fährst, ist der Grat wieder mal sehr schmal."

Die Auferstehung von Klaus Kröll

Klar ist aber: Wer das Herz nicht in die Hand nimmt, wird nicht gewinnen. Eine Erfahrung, die Klaus Kröll zuletzt oft gemacht hat. Zu oft für seinen Geschmack. "Die letzten beiden Saisonen waren die schlechtesten meiner Karriere, keine Frage." Doch dann kam Wengen, die Gunst der Stunde und am Ende Platz drei.

Ein Stein vom Herzen

Es war der 24. Podestplatz in der Karriere des 35-jährigen Öblarners, nach mehr als zwei Jahren Wartezeit. Und es war der sprichwörtliche Stein, der Kröll dann vom Herzen fiel. "Der Vergleich passt wirklich gut. Die Erleichterung war riesengroß, weil ich wusste: Es liegt nur an mir, das Material passt. Es ging nur darum, über den eigenen Schatten zu springen."

Ein Schatten, der zwischenzeitlich übermächtig schien. "Am Ende der Vorsaison, nach der Abfahrt in Garmisch, wollte ich es lassen. Nur Kvitfjell wollte ich noch fahren, weil darauf freue ich mich immer. Und da ging es besser. Und nach der Saison war ich im Training dann plötzlich besser." Statt Karriereende startete Kröll also noch eine Saison, verbesserte sich körperlich, arbeitete an der Technik. "Aber irgendwann wird man ungeduldig. Ich bin ja nicht mehr so jung, ewig habe ich nicht mehr. Da ist es schwer, wenn die Ergebnisse fehlen."

Es fehlte die Überzeugung

Die fehlten, weil Kröll zurückzog, an den schwierigen, schnellen Passagen. "Das kannst dir halt nicht leisten", sagt er. Was er damit meint: "Ich hab’ es oft auf mich zukommen lassen, wie ich fahren kann. In Wengen war das auf einmal wieder anders. Du kommst zur Besichtigung und siehst die Linie, die du nehmen willst. Und du kannst sie dann auch fahren im Rennen."

Es war dieses eine Rennen, das alles anders machen kann, bei dem der Knopf aufgeht, bei dem die "letzte Überzeugung", wie Kröll es nennt, plötzlich wieder da ist. "Und dann ist das wie ein Sieg über sich selbst." Die Folge: "Du bist auf einmal auch bei der ersten Besichtigung hier selbstbewusster. Das Training heute war auch o. k., ich habe überall noch Reserven."

Die Genugtuung

Nicht nur für ihn selbst war Platz drei in Wengen Erleichterung. "Mein Umfeld hatte es ja fast noch schwerer. Mich traut sich ja keiner anreden, aber mein Umfeld wurde schon oft gefragt: Was ist los? Warum tut er sich das an? Jetzt hat das blöd Reden wieder ein Ende." Und im selben Maß ist auch ein wenig Genugtuung da, es doch wieder geschafft zu haben.

Auf einmal genießt man das Interesse der Medien, der Fans im Zielraum von Kitzbühel wieder, vielleicht sogar mehr als zu alten Zeiten des Erfolges. "Die Anerkennung tut gut", sagt Kröll. Und: "Stören tut mich das jetzt nicht. Ich würde mir sogar wünschen, dass ich am Wochenende nach beiden Rennen die Security brauche, um aus dem Zielraum rauszukommen. Weil dann war ich wirklich gut."