Es gibt nur zwei Möglichkeiten, den Fußball von der Seite 1 der "La Gazzetta dello Sport", Italiens Zentralorgan des Sports, zu verdrängen. Entweder der Giro d'Italia schreibt Geschichte oder "Ferrari è campione del mondo". Ob Ferrari in Zukunft wieder einmal Weltmeister wird, bezweifeln derzeit sogar die größten Formel-1-Tifosi. Der Giro schreibt aber heuer, ausgerechnet am vorletzten Tag, in jedem Fall Geschichte.

Denn die Idee eines gewissen Enzo Cainero wurde tatsächlich für 2023 umgesetzt. Sein bürgerlicher Job war Steuerberater in Udine, im Grunde war er aber auch ein hochtalentierter Sportmanager (Udinese Calcio, APU Udine Basket, Universiade in Tarvisio 2003). Er führte schon mehrmals den Giro auf den Monte Zoncolan, auch so ein Gigant des Radsports in Friaul. Nun geht's am kommenden Samstag, auf der vorletzten Etappe der Italien-Rundfahrt, auf den Monte Lussari bei Tarvisio, hinauf zur Wallfahrtskirche.

Heller Beton
Heller Beton © KK

Seinen Lebenstraum hat Enzo Cainero nicht mehr erleben dürfen, denn er starb heuer im Winter nach einem Hirnschlag. Sein Sohn Andrea führte das Vorhaben weiter. Und genau eine Woche vor dem entscheidenden Bergzeitfahren wurde die sanierte Straße auf den Lussari offiziell eröffnet. Sponsoren und Freunde wurden zu einer "Kletterpartie" geladen. Mit E-Bikes ging es von der Piazza Unitá in Tarvisio hinaus nach Valbruna und durch das Val Saisera bis zum Beginn des Anstiegs. Nun der Anstieg ist steil, untertreibend furchtbar steil.

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Grafik © kk/kleinezeitung infografik

Rund acht Kilometer mit einer durchschnittlichen Steigung von 15 Prozent, 20 bis 22 Prozent warten zu Beginn und dann noch einmal auf dem letzten Kilometer. Um es kurz zu machen: Das "E" beim Bike hilft da nicht sonderlich viel. Da bedarf es ausgezeichneter radfahrerischer Fähigkeiten mit entsprechender Leidensfähigkeit. Ein "Normalsterblicher" ist da hoffnungslos überfordert. Und wenn dann nach gut der Hälfte der Route auch noch winterliches Wetter (dichter Nebel, drei Grad Höchstwerte) einsetzt, ist die Aufgabe nicht weit. Im Etappenergebnis liest man dann: Gerhard Hofstädter, DNF (Did Not Finished; zum Glück gab es ja keine Wertung).

Der Ausbau der Straße rief, so wie überall, Kritiker auf den Plan (Festklebern war die Kletterei anscheinend zu anstrengend). Aber die Organisatoren schafften es, die ehemalige Schotterstraße halbwegs zu befestigen, aber nur in Form hellen Betonpflasters. Optimale Drainagen, die beim Rennen mit stabiler Pappe abgedeckt werden, sorgen für die Wasserabfuhr bei Starkregen.

Auch schneien kann es noch auf den Rampen des Monte Lussari
Auch schneien kann es noch auf den Rampen des Monte Lussari © KK

Der Spaß Giro d'Italia verbraucht in Tarvisio ein Budget von einer halben Million Euro. "Aber jeder Euro ist gut investiert. Tarvisio und der Lussari sind weltweit im TV zu sehen", erzählt Andrea Cainero. Der Straßenausbau, im Übrigen ein seit Jahren gehegter, großer Wunsch der Betriebe auf dem Lussari, beinhaltet das Budget natürlich nicht. Weil nach jedem Regen die Straße immer wieder erneuert werden musste, sprang da die Region ein.

Noch vor dem Giro-Start gab es aber auch Kritik seitens der Profis. Weil nämlich kein Auto hinaufdarf, dienen nur Motorräder als Betreuerfahrzeuge. Dafür wurde aber knapp vor dem Anstieg ein Platz geschaffen, wo die Fahrer von ihren Zeitfahrmaschinen auf normale Bergräder wechseln. Auch der Zugang für Fans ist eingeschränkt. 3000 Tickets für die Seilbahn wurden aufgelegt, nach wenigen Stunden waren sie vergriffen. Und selbst zu Fuß kommt man nicht weit, weil außer steil ist die Strecke auch extrem schmal.