Um 7.30 Uhr ist Standeskontrolle. Andreas Ernhofer meldet sich im Bundessport- und Freizeitzentrum Südstadt in Maria Enzersdorf zum Dienst. Auf seinem Trainingsanzug prangt das Logo des Bundesheeres. Ernhofer ist Heeresportler, ein querschnittsgelähmter. Ernhofer ist beim Bundesheer angestellt, um zu trainieren und Leistungen zu erbringen. Als einer von 20 Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderung. "Mega geil" findet der Schwimmer das, "sonst hätte ich keine Chance gehabt, Profisportler zu werden." Der 24-Jährige sitzt seit einem Badeunfall 2014 im Rollstuhl.

Für den Militärdienst untauglich und trotzdem Heeressportler? Eine reguläre militärische Ausbildung sei zwar aufgrund der Untauglichkeit nicht möglich, sagt der Kommandant des Heeressportzentrums, Oberst Christian Krammer. Den Beitrag zur Landesverteidigung sieht er genauso groß wie jenen der Sportler ohne Behinderung. Krammer: "Bei Sportveranstaltungen vertreten sie die Republik positiv und sorgen für einen Imagegewinn des Bundesheeres." Trainingserkenntnisse aus den Sportarten würden von den Truppen übernommen werden und hätten auch einen militärischen Mehrwert.

Spitzensport wird beim Bundesheer schon jahrzehntelang gefördert, Behindertensport erst seit Kurzem. 2016 wurde die Möglichkeit geschaffen, Sportler mit Behinderung als Vertragsbedienstete anzustellen. Die Vergabe der Plätze erfolgt nach strengen Leistungskriterien und teilt sich auf Männer und Frauen, verschiedene Sportarten und alle Bundesländer auf. Ernhofer ist seit August 2019 dabei, sein Vertrag vorerst auf vier Jahre befristet. Bis 16.30 Uhr dauert ein normaler Trainingstag, der Ablauf wird strikt vorgegeben. Nach dem Frühstück fährt Ernhofer mit dem Treppenlift in den ersten Stock zur Schwimmhalle. Die Zeit von zehn bis zwölf Uhr verbringt er im Wasser, am Nachmittag stehen Krafttraining und Therapieeinheiten auf dem Programm. Heute sind weder Trainer noch Trainingspartner anwesend, Ernhofer ist auf sich allein gestellt. Vor dem Start wirft er einen schnellen Blick aufs Handy, um sich den Trainingsplan einzuprägen. "Soll ich es aufschreiben oder merke ich es mir?", scherzt der Weinviertler.

Bei der Standeskontrolle treten sämtliche Heeressportler an und seit 1. November dürfen auch die Behinderte dabei – und überhaupt – Uniform tragen. Denn im Sommer wurde die Grundlage geschaffen, dass Para-Sportler nicht nur als Vertragsbedienstete (keine Uniform) angestellt sein können, sondern auch regulär als Soldaten (Militärperson auf Zeit) dienen dürfen. Ernhofer findet es "super cool", dass er sich jetzt Gefreiter nennen darf." So werden auch Vertragsverlängerungen unkomplizierter und die Berufsförderungen für das Leben nach dem Sport ausgebaut.
Bevor es ins Wasser geht, wärmt sich der Ernhofer am Beckenrand auf, zeichnet mit den Händen große Kreise in die Luft. Dann zieht er sich Schwimmbrille und Badehaube über und hievt sich aus dem Rollstuhl auf den Startsockel. "Ich hasse das Reinklettern", sagt der Heeressportler mit einem Schmunzeln und lässt sich ins Becken fallen. Er stößt sich mit einem Arm ab und schwimmt. 50 Meter Brust sind seine Paradedisziplin, hier stehen bereits zwei Bronzemedaillen bei EMs und ein achter Platz bei den jüngsten Paralympics in Tokio zu Buche.

Mit der Teilnahme an den Spielen "habe ich mir einen Traum erfüllt", strahlt Ernhofer, "schon bald nach meinem Unfall habe ich mir dieses Ziel gesteckt." Nach einer Notoperation und einigen Monaten Rehabilitation begann er mit Rollstuhl-Rugby, später entdeckte er das Schwimmen für sich: "Dieser Sport ist super für mich. Zumindest einmal pro Tag komme ich aus meinem Rollstuhl heraus!" Über seine Behinderung spricht der Paraschwimmer sehr offen, mit seiner Erfolgsgeschichte nach der Diagnose möchte er Menschen in ähnlicher Lage motivieren.

Ernhofer sieht es als Ehre an, den Sportlern ohne Behinderung nun völlig gleichgestellt zu sein. Die größten Vorteile an der Beschäftigung beim Bundesheer sind für ihn die soziale und finanzielle Absicherung, die guten Trainingsmöglichkeiten und die Freistellung für Trainingslager und Wettkämpfe. Sein nächstes Ziel sind die paralympischen Spiele 2024 in Paris, dort möchte er eine Medaille in Angriff nehmen. Bis dahin wird Andreas Ernhofer pünktlich zur Standeskontrolle erscheinen.