Genau da, wo Anna Kiesenhofer mit Olympischen im Straßenrennen der Damen Gold gewonnen hat, durfte auch Walter Ablinger Gold entgegennehmen. Der Paracycler sichert sich den Sieg im Zeitfahren der Klasse H3. "Athleten wie Anna Kiesenhofer, Partick Konrad oder auch Felix Großschartner sind eine Inspiration für uns", sagt der Oberösterreicher, "wir können keinen Giro oder keine Tour fahren, aber bei der WM oder den Paralympischen Spielen  könne wir mit solchen Leistungen zeigen, dass wir ein Teil des Radsports sein wollen."

Paralympicssieger Walter Ablinger. Wie fühlt sich das an?
WALTER ABLINGER: Alle Menschen, die sich auskennen, sagen, das sind Ankermomente. Von denen erlebt man nicht viele im Leben und das kann man nicht mit Worten beschreiben. Das Leben stellt einen oft vor Herausforderungen und wir haben es alle nicht leicht. Ich bin momentan einfach nur dankbar.

Wann haben Sie es realisiert, dass sie Gold haben?
Sie haben es mir vor den Interviews gesagt. Ich habe gedacht, sie verarschen mich.

Wie war das Rennen?
Ich habe versucht, zu machen, was mein Trainer gesagt hat: Dosiert beginnen. Auf der ersten Runde ist auch die Maschine bergab wie der Hammer gelaufen. Es war trotzdem hart, aber es ist gut gegangen. In der zweiten bin ich dann auf den Franzosen aufgefahren, der eine Minute vor mir gestartet ist. Die dritte war nur noch Quälerei. Ich weiß nicht, wie ich das drüber gebracht habe.

Wie hart war es?
Das war mehr als am Anschlage. Mehr als 100 Prozent geht nicht, das waren 99,8. Mehr geht echt nicht mehr. Vielleicht 0,2 Prozent, aber dann hätte ich mich übergeben müssen.

Wie waren die Stunden vor dem Rennen?
Da war ganz viel Routine dabei. Ich wusste, es funktioniert alles ganz normal, wie es mir mein Fitnesstrainer Markus Kinzelbauer (Anm.: Er ist auch der Trainer von Christoph Strasser) gesagt hat: Gut essen in der Früh und alles locker angehen. Zwei Stunden vorher habe ich wie immer mit autogenem Training begonnen. 35 Minuten Pause und dann 45 Minuten aufwärmen auf der Rolle mit ein paar intensiven Teilen. Dass der Körper weiß, es kommt was. Es lief das gleiche Schema wie in London und Rio und scheinbar funktioniert es.

Sie haben nun zwei Mal Gold und zwei Mal Silber bei Paralympischen Spielen geholt. Wie geht es weiter?
Vielleicht ist es mein letzter Olympia-Aufritt hier in Tokio, ich kann es noch nicht sagen. Das lasse ich meinen Körper entscheiden, aber einen besseren Walter Ablinger werden wir wohl nicht sehen. In Paris wäre ich 55. Vielleicht machen wir Schluss. Vielleicht kommendes Jahr bei der WM in Kanada. Da würde sich auch ein Kreis schließen, weil da bin ich schon Weltmeister geworden.

Was ist der Schlüssel zum Erfolg?
An sich glauben, die richtigen Leute um sich versammeln und ab und zu ein bisschen an Jesus glauben. Wir sollten immer dankbar sein, dass wir auf diesem wunderbaren Planeten sein dürfen. Die wichtigste Botschaft ist heute aber: "We the 15!" 15 Prozent der Menschen stehen mit den Paralympischen Spielen auch in der Weltöffentlichkeit. Alle können solche Momente leider nicht erleben, aber es gibt immer einen Weg und eine Möglichkeit, aus einer schwierigen Situation das Maximum herauszuholen.

Und das Straßenrennen am Mittwoch?
Von den 16, die in meiner Gruppe sind, haben welche dosiert das Zeitfahren bestritten. Da gibt es ein paar harte Brocken – so lange wie möglich dabeibleiben. Es wird sicher der Mut entscheiden und an dem fehlt es bei mir nicht.

Gold, Silber und Bronze für Österreich binnen weniger Minuten. . .
Wenn das nicht geil ist. Scheinbar machen wir was richtig. Der Bikebauer aus St. Georgen bei Obernberg im Innviertel hat vier Stück gebaut – meines, das von Tom und das von Alex. Vier Bikes, drei Medaillen.   

Thomas Frühwirth musste sich dennoch Jetze Plat geschlagen geben . . .
Was der Tom aufführt, ist sowieso ein Wahnsinn. Er ist der akribischste Arbeiter von uns allen. Der weiß sogar wieviel Milligramm Calcium er zu sich nimmt. Aber da sieht man auch, wie professionell der Behindertensport geworden ist. Da gibt es nichts anderes als den Sport. Da steht alles hinten an. Das muss im privaten Umfeld einmal einer mitmachen. Der Tom ist ein extremer Sturschädel und auch meine Frau sagt immer: So eigensinnig wie du bist . . . Leistungssport passt in kein Privatleben und kein alltägliches System. Das ist Eigensinn und Idealismus. Da bist du nur mit dir selbst.

Warum hält die Familie Sie zu Hause dann immer noch aus?
Das frage ich mich auch (lacht). Ich bin sehr glücklich verheiratet und wenn ich meine sportliche Karriere beende, werde ich den Sport anders denken. Ich will mit 80 Jahren auch noch Sport machen, aber Leistungssport ist nicht gesund. Meinem Körper tue ich momentan nichts Gutes.  Das erste, das ich machen werden, wenn ich aufhöre ist, meine Ehe zu revitalisieren.

Wie wichtig ist die Familie?
Meine Familie ist immer für mich da und sie hält mir den Rücken frei. Ich kann in ihr Kraft schöpfen und alle wissen, wie wichtig die Erholung ist. Meine Frau macht zu Hause alles – vom Dachrinnen-Ausputzen bis zum Rasenmähen. In letzter Zeit bin ich um 1 Uhr in der Früh aufgestanden, um mich auf Tokio einzustellen. Da habe ich auch ein bisschen Wäsche gemacht und den Geschirrspüler ausgeräumt.

Das wird sich vielleicht ändern?
Wahrscheinlich wird sie jetzt dann sagen: Schluss mit lustig.