Casey Stoner ist immerhin zweifacher MotoGP-Weltmeister. Der mittlerweile 39-jährige Australier ist einer der Stars, die am Sonntag bei der „Legends Parade“ auf dem Red Bull Ring dabei sein werden. Das hinderte Stoner aber nicht, bei seinem Besuch in der Steiermark heftige Kritik an der Entwicklung der MotoGP zu üben, er ließ seinem Frust bei einer Journalistenrunde im Medienzentrum freien Lauf. Hauptkritikpunkte: Die immer wichtiger werdende elektronische Unterstützung (in Spielberg ist auch erstmals eine elektronische Antischlupfregelung im Einsatz), die überbordende Aerodynamik und die damit einhergehende schwindende Bedeutung des Fahrers auf dem Bike. Sein Fazit: „Wir machen die Ingenieure zu Champions, nicht die Fahrer ...“
Was Stoner damit meint? „Man hat fast 300 PS und kann Gas geben, ohne dass etwas passiert. Man hat keine Kontrolle mehr darüber, wie stark man rutscht, man kann die Kupplung nicht mehr benutzen wie früher, weil das das System verwirrt. Der Fahrer wird immer unwichtiger.“ Und damit werde es auch immer unwichtiger, die Kontrolle als Fahrer zu bewahren, weil das die Elektronik übernimmt: „Früher sah man einen Fahrer mit dem Motorrad kämpfen, einen Wheelie kontrollieren oder meisterhaft rutschen. Heute muss man nur noch stark bremsen, einlenken und Gas geben. Den Rest erledigt die Elektronik.“
Aerodynamik als großes Übel
Zudem stimmte Stoner, der 2007 auf Ducati und 2011 auf Honda Weltmeister wurde, in die wachsende Kritik an der Aerodynamik der MotoGP ein: „Aerodynamik zu entwickeln zählt zu den teuersten Dingen, die es gibt. Aber sie trägt nicht zum Spektakel bei, weil letztlich alle Motorräder gleich aussehen. Die Vielfalt, die es früher gab und die die Meisterschaft so interessant gemacht hat, ist verlorengegangen.“ Wer sich den Windkanal nicht leisten könne, falle zurück, es gebe einen „Klonkrieg“ unter den Herstellern. „Früher war Yamaha hervorragend in den Kurven, Ducati in der Höchstgeschwindigkeit und Suzuki beim Bremsen. Jetzt ist alles anders.“ Und zudem warnte Stoner vor falschem Sicherheitsgefühl, weil die Motorräder am Heck immer stabiler werden: „Damit wandert das Risiko auf das Vorderrad und da folgen weit schwerere Unfälle. Ich glaube nicht, dass der Sport sicherer wurde, ich denke, dass die Verletzungen eher noch schlimmer sind.
Sprints am Samstag? „Deswegen sind die Rennen langweiliger“
Auch die Sprints am Samstag finden bei Stoner keinen Gefallen, denn: „Früher hatte man Zeit, das Motorrad auf das lange Rennen einzustellen. Jetzt geht es nur noch darum, eine schnelle Qualifikationszeit zu fahren. Das Wochenende ist viel stressiger, das kommt der Meisterschaft nicht zugute. Im Gegenteil: Wenn man nicht an seinem Setup für den Sonntag arbeiten kann, weil man sich auf das Qualifying konzentriert, ist es normal, dass die Rennen langweiliger sind, weniger Überholmanöver stattfinden.“
Viel Lob gab und gibt es nicht – mit einer großen Ausnahme: Bei Marc Marquez gerät Stoner ins Schwärmen: „Marc hat einen Vorteil: Er weiß, wie man ohne so viel Elektronik fährt. Er weiß, wo er beschleunigen muss, wie man die Reifen schont und mehr. Das sind Dinge, die die neue Generation nicht lernen musste.“ Dementsprechend richtete Stoner einen Appell an die Verantwortlichen der Serie: „Es gibt Hinweise, dass wir in die falsche Richtung gehen. Wir können nicht immer mehr Technologie hinzufügen und erwarten, dass die Serie von selbst zurückkommt.“ Um die MotoGP wieder attraktiver zu machen, so der Umkehrschluss, ist weniger also manchmal mehr. „Wir machen dieselben Fehler, die die Formel 1 auch gemacht hat. Aber die hat das alles ganz gut in den Griff bekommen.“