In seinem ersten Ferrari-Jahr setzt der 21-jährige Monegasse Charles Leclercseinen Teamkollegen Sebastian Vettel schon gewaltig unter Druck. Zusammen mit Max Verstappen und anderen Youngstern wie Lando Norris, Alex Albon und George Russell, gegen die er teilweise schon seit seiner Kart-Zeit immer wieder gefahren ist, stellt er die Zukunft der Formel 1 dar.  Genauso sicher und selbstbewusst wie auf der Strecke bewegt sich Leclerc auch abseits von ihr, auf dem glatten Medienparkett – souverän, aber ohne dabei überheblich zu wirken, dabei aber  auch schon sehr geschult darin, die gewünschten Sprachregelungen der Formel 1 einzuhalten. Der Jungstar im Exklusiv-Interview.

Für viele sind Sie ja der Aufsteiger des Jahres in der Formel 1 – wie sehen Sie selbst ihre Saison?

Charles Leclerc: Grundsätzlich gut – ich bin mit meiner Leistung zufrieden. In den ersten Rennen hatte ich Probleme im Qualifying, daran habe ich dann sehr intensiv gearbeitet – und das hat sich jetzt ausgezahlt. Im Rennen war ich von Anfang an gut dabei, aber auch da verbessere ich mich noch stetig, auch weil ich mich im Team immer mehr zu Hause fühle. Bis jetzt war es ein gutes Jahr, auch wenn ich mir natürlich einige Fehler geleistet habe. In Baku oder auch zuletzt in Hockenheim. Wobei der von Baku für mich gravierender ist – weil in Hockenheim doch sehr schwierige Bedingungen herrschten. Aber ich habe daraus gelernt und mich weiter entwickelt.

Sie sind ja bekannt dafür, sehr viel von sich selbst zu erwarten, auch sehr kritisch mit sich selbst zu sein.  Setzen sie sich dadurch nicht extrem unter Druck?

Meine Einstellung war immer, dass es für mich besser ist, hart zu mir selbst zu sein, vor allem ehrlich. Wenn etwas mein Fehler war, dann sage ich es auch, schiebe es nicht auf irgendwen oder irgendetwas anderes. So lernt man am meisten. Vielleicht klingt es am Funk manchmal so, dass ich sehr wütend auf mich selbst bin. Aber wenn ich dann aus dem Auto steige, dann analysiere ich alles viel detaillierter – und dann bin ich nicht mehr ganz so hart zu mir selbst, wie es im ersten Moment scheint.

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Hilft es da auch, dass Sie ja schon viele Jahre lang Mentaltraining betreiben, schon als Kind damit angefangen haben?

Davon bin ich überzeugt. Wie in jedem Sport sind auch hier diejenigen die Besten, die mental am stärksten sind. Die Stärke im Kopf beeinflusst ganz stark die Leistung auf der Strecke. Man muss in der Lage sein, in jedem Moment hundert Prozent seiner Kapazitäten abzurufen und einzusetzen.

Wie ist es Ihnen gelungen, sich im Laufe der Saison so extrem zu steigern?

Ich war anfangs ein bisschen vorsichtig, zu deutlich meine Wünsche zu äußern. Ferrari ist Ferrari – und es ist erst mein zweites Jahr in der Formel 1. Da wollte ich nicht gleich dran gehen, alles mögliche zu verändern, um nicht arrogant zu erscheinen. Wenn ein junger Fahrer in ein Team kommt und dann gleich alles umkrempeln will, dann kann das schon so wirken. Deshalb wollte ich mir erst Mal Zeit lassen,  mich selbst ans Auto anpassen – und dann Schritt für Schritt vorgehen. Das ist sowieso meine grundsätzliche Arbeitsweise.

War es da anfangs ein Nachteil, dass Sie und Sebastian Vettel einen sehr unterschiedlichen Fahrstil haben?

Würde ich nicht unbedingt sagen. Denn am Ende haben wir doch beide mit der Richtung, in der wir das Auto entwickeln, Zeit gefunden – auch wenn unser Fahrstil unterschiedlich ist. Wie wir das Auto abstimmen, ist ja trotz allem sehr ähnlich.

Wie ist ihr Verhältnis zu Vettel – und hat sich da seit Saisonbeginn etwas verändert?

Wir kennen und jetzt natürlich schon viel besser als am Anfang, sind uns deshalb näher. Das Verhältnis ist sehr gut, kein Problem.

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Dass Sie ihn ein paarmal besiegt haben, macht also keinen Unterschied?

Nein, überhaupt nicht. Und ich glaube das ist auch gut, die zwei Dinge komplett zu trennen, den Fahrer und den Menschen.

Am besten kennen Sie ja in der Formel 1 diejenigen, gegen die sie schon als Kind Kart gefahren sind: Max Verstappen, Alex Albon, Pierre Gasly zum Beispiel. Was hat sich da seit damals verändert?

Ich denke, wir sind alle reifer geworden, können deshalb eben auch Vorfälle auf der Strecke besser von persönlichen Dingen trennen. Aber wenn ich uns so grundsätzlich betrachte: Auch wenn  wir uns ein bisschen verändert haben, ich denke, vieles von dem, wie wir früher waren, ist auch bis heute geblieben.

Wer hat sich am meisten verändert?

Wahrscheinlich doch Max Verstappen. Der war im Kart schon extrem aggressiv. Jetzt ist er da nur noch, sagen wir mal, an der Grenze.