Fahrerwechsel sind in der Formel 1 keine Seltenheit – das wurde vor allem in den vergangenen Jahren deutlich. Red Bull tauschte bei beiden Teams des Öfteren aus, zuletzt zu Beginn der Saison, als Yuki Tsunoda den Platz von Liam Lawson im „Einserteam“ übernahm und der Neuseeländer bei den Racing Bulls Platz nehmen musste. Immer wieder mussten sich die Verantwortlichen im Bullenstall dafür berechtigterweise Kritik gefallen lassen. Im Vergleich zur derzeitigen Situation bei Alpine entpuppen sich die Manöver im Hause Red Bull aber als nahezu harmlos. Beim französischen Rennstall offenbart sich erneut das Chaos, aus dem das Team seit Jahren keinen Ausweg findet. Mit dieser Herkulesaufgabe betraute man nun eine der umstrittensten Persönlichkeiten der Motorsport-Königsklasse: Flavio Briatore.
Der legendäre Italiener stieß im Vorjahr als Berater zum Team, für das er von 1989 bis 2009 bereits 20 Jahre lang als Teamchef tätig war – damals noch unter den Namen Benetton und Renault. Vier Fahrertitel durch Michael Schumacher (2) und Fernando Alonso (2) gehen auf sein Konto. Im Jahr 2008 machte der mittlerweile 75-Jährige aber negative Schlagzeilen in der Crashgate-Affäre. Damals soll Nelson Piquet Jr. nach Anweisung Briatores absichtlich einen Unfall verursacht haben, um seinen Teamkollegen Alonso den Rennsieg in Singapur zu bescheren. Das Verfahren zog sich über Jahre, Briatore wurde nach monatelangen und komplizierten Verhandlungen für einige Jahre gesperrt. 2024 kehrte er zurück zu Alpine – und ist nun vom Berater zum interimistischen Teamchef aufgestiegen.
Chaotische Jahre bei Alpine
Möglich machte dies der Rücktritt von Oliver Oakes, der den Chefposten erst im vergangenen Juli übernommen hatte und symbolisch für das Chaos beim französischen Rennstall steht. Seit Jahren wird Alpine der hohen Erwartungshaltung nicht gerecht – inklusive mehrerer Streitigkeiten.
Nach dem Bekanntwerden des Abschieds von Alonso im Sommer 2022 gab das Team vorschnell bekannt, dass Oscar Piastri dem Routinier folgen wird, ohne zu wissen, dass der Australier bereits einen Vertrag mit McLaren unterschrieben hatte. Der Fall landete vor Gericht, Piastri bekam Recht und führt im MCL39 derzeit die Fahrer-Weltmeisterschaft an. Nicht nur aufgrund dieser Niederlage musste im Sommer 2023 Teamchef Otmar Szafnauer gehen, der im Nachhinein immer wieder Kritik übte. Sein Nachfolger Bruno Famin war nach einer historisch schwachen Saison ebenfalls nur ein Jahr im Amt, genauso wie Oakes, der in dieser Woche nach zehn Monaten seinen Abschied verkündete.
Briatore an der Macht
Der jüngste Wechsel an der Spitze gründet wohl in der Entscheidung, Rookie Jack Doohan durch den bereits erfahreneren Reservefahrer Franco Colapinto zu ersetzen. Oakes sprach sich wohl entschieden gegen diesen Schritt aus und knüpfte seine eigene Zukunft im Team an jene des australischen Neulings. Doch von Anfang an bekam der Sohn von Motorradweltmeister Mick Doohan nicht das nötige Vertrauen innerhalb des Rennstalls, was die Verpflichtung Colapintos bewies. Der Argentinier war nach seinen Auftritten im Vorjahr bei vielen Teams beliebt und bekommt nun die erneute Chance in der Formel 1 – zumindest für die nächsten fünf Rennen, wie es in einer offiziellen Aussendung heißt, während Doohan die Rolle des Reservemanns übernimmt.
Vieles hinter diesem Schritt deutet darauf hin, dass Briatore bei Alpine mehr zu sagen hat, als viele zunächst glaubten. Der Italiener liebt es im Rampenlicht zu stehen und kann die Rückkehr ins Amt als Teamchef wohl kaum erwarten. Bei den Franzosen tanzt nun in Zukunft auch offiziell alles nach seiner Pfeife. Ob das nach durchwachsenen Jahren endlich den erhofften Erfolg bringt, ist offen. Zwar ist Briatore eine der schillerndsten Figuren in der Formel 1 und stellt Erfolg über alles andere, seit seiner letztmaligen Amtszeit als Chef hat sich in der Motorsport-Königsklasse aber vieles verändert. So auch die Finanzierung vieler Rennställe, die seit der Einführung der Budgetobergrenze zu gewinnbringenden „Unternehmen“ wurden. Bei Alpine hält beispielsweise eine namhafte Gruppe an Investoren 24 Prozent der Anteile des Teams. Darunter sind mit NFL-Quarterback Patrick Mahomes, Golf-Ass Rory McIlroy oder Schauspieler Ryan Reynolds mehrere Superstars, zu denen Briatore eine enge Freundschaft pflegt.