Eine Jugendsünde hat doch jeder, oder? So auch Österreichs derzeit einziger DTM-Pilot. "Vor ein paar Jahren sind wir mit einem Kumpel durch die Gegend gedüst, um Mädels zu beeindrucken. Dabei darf ich das gar nicht laut sagen", erzählt Lucas Auer mit einem Grinser im Gesicht – ein kleines Schlitzohr, wie er im Buche steht. Inzwischen ist er 21 und fährt für Mercedes-AMG im DTM-Team Mücke im Deutschen Tourenwagen-Masters – und das mit Erfolg.

Geschwindigkeit liegt ihm im Blut. Auf der Rennstrecke hat er stets den Sieg im Visier, die Königsklasse des Motorsports, die Formel 1, ist sein ganz großes Ziel. Beruflich der akribische und ehrgeizige Perfektionist mit einem unbändigen Willen – privat bevorzugt es der Neffe des ehemaligen Formel-1-Piloten Gerhard Berger bodenständig und heimatverbunden. Er lebt mit seiner Familie idyllisch in den Tiroler Bergen, im beschaulichen Örtchen Kufstein.

Mediterranes Flair

Richtig gehört, Kufstein – auch wenn man das Gefühl bekommt, sich auf einer spanischen Insel zu befinden. Der Stil des Hauses ist mediterran angehaucht, geschmackvoll eingerichtet und keineswegs mit Deko oder Accessoires überladen – eine Wohlfühloase. Im ersten Obergeschoß hat es sich Auer vor acht Jahren – zwischen seinen unzähligen Pokalen und dem Rennsimulator – gemütlich gemacht. "Die Zeit mit der Familie ist mir enorm wichtig. In diesen Momenten hole ich mir Kraft und diese Zeit nehme ich mir ganz einfach. In den eigenen vier Wänden bist du einfach privat und kannst alles um dich vergessen." Sein feines Reich, wie er es nennt, darf man schon als ansehnliches Appartement bezeichnen.

Ein kurzer Blick in sein Zimmer genügt, um zu wissen, dass sich sein Leben um den Motorsport dreht. Schnappschüsse, wohin man schaut – von Kindheitserinnerungen bis zu eindrucksvollen Rennszenen. "Hier mach ich es mir bequem, chille auf der Couch oder spiele auf meinem Rennsimulator. Platz ist genug, nur der Kleiderschrank passte nicht mehr rein" – dafür gibt es einen großzügigen Vorraum, alles sorgfältig gestapelt. Bei ihm hat alles seinen Platz – das ist ihm wichtig, denn Ordnung ist das halbe Leben. Das angrenzende Bad lässt schlichtweg keine Wünsche offen – in der Wanne kann man die Seele baumeln lassen. Luxus ist für Auer seine wenige freie Zeit: "Klingt ganz banal, aber das ist trotzdem nicht selbstverständlich." Und da die Zeit so kostbar ist, verbringt er sie gern mit seinen Eltern und Bruder Markus.

Kleine-Sport-Redakteurin Denise Maryodnig traf Lucas Auer in seiner Heimat
Kleine-Sport-Redakteurin Denise Maryodnig traf Lucas Auer in seiner Heimat © KK

Ein Familienmensch

Ans Ausziehen hat der Motorsportler noch nie gedacht: "Ich fühle mich wohl und brauche nichts anderes. Sag niemals nie, doch im Moment habe ich nicht den Drang wegzuziehen. Meinen Onkel sehe ich auch bei den Rennen, dafür muss ich nicht in Monte Carlo wohnen." Wer jetzt vermutet, dass nach einem Rennwochenende Freizeit einkehrt, irrt. "Zwei Mal am Tag ist Training angesagt. Ausdauer ist wichtig, zu viele Muskeln sind nur zusätzliches Gewicht. Danach geht’s in die Logistik-Firma meiner Mutter nach Wörgl. Dort habe ich mir ein kleines Büro eingerichtet und schreibe meine Rennreporte."

Nach getaner Arbeit genießt er die Zeit am Pool oder am nahegelegenen Thiersee, spielt Fußball oder Eishockey, joggt durch die Wälder, erholt sich auf der Terrasse oder trifft sich mit Freunden in seinem Stamm-Cafe "Business". "Wir sind eine Burschenrunde, die schon sehr viele Jahre besteht. Alle sind motorsportbegeistert und manchmal auch live dabei." Und von wegen Frauensache. Modetechnisch mag er es leger. "Im 'Perfect Men' wissen sie ganz genau, was ich will und was mir steht. Bei Lederjacken kann ich nur schwer widerstehen."

Der Durchstarter

Anfang Juni schrieb Auer auf dem Lausitzring rot-weiß-rote DTM-Geschichte – er gewann als erster Österreicher überhaupt ein Rennen des Deutschen Tourenwagen-Masters, und das in seinem erst zweiten Jahr. "Das Leben im Rennsport ist kein Zuckerschlecken. Die letzte Saison war geprägt von Höhen und Tiefen. Ich habe viel gelernt, auch wie man sich in so einem großen Team wie Mercedes positioniert – Gerhard würde jetzt sagen: wie man Politik macht." Der jüngste Triumph war der "absolute Hammer", auf dem sich der ehemalige Formel-3-Pilot, der mit gerade einmal vier Jahren zum ersten Mal in einem Kart saß und danach nicht mehr rauswollte, nicht ausruhen wird.

Den Weg, den Formel-1-Pilot Pascal Wehrlein eingeschlagen hat, nimmt er als Vorbild: "Er hat das perfekt gemacht. Ich verfolge meine Ziele zu hundert Prozent und wenn ich etwas vor Augen habe, dann schaffe ich es auch." Zeit zum Verschnaufen blieb auch in der Sommerpause keine: "Ich war in Berlin bei meinem Team Mücke, wir hatten Testfahrten in Marseille und ich schau mir auch gern andere Serien, wie 24-Stunden-Rennen, live an. Zuletzt durfte ich für N-TV das freie Formel-1-Training kommentieren, das war auch richtig lässig." Dieses Wochenende gastiert die DTM übrigens in Moskau.

Mit seinem blauen Flitzer – dienstlich bevorzugt er seinen "Pink Panther" – ist er abseits der Rennstrecke "normal wie jeder andere unterwegs". Das unerfreuliche Blatt Papier, auch Strafzettel genannt, kennt er – "so schlimm ist es nicht".

Mit Lucas Auer im Mercedes unterwegs

Dass Lucas Auer ununterbrochen auf seinen Onkel angesprochen wird, stört ihn keineswegs: "Wir haben viel Kontakt. Er ist ein großes Vorbild für mich, aber auch eine Respektsperson." Was viele vergessen: "Ohne meine Mama wäre ich nie so weit gekommen. Ihr habe ich sehr viel zu verdanken." Auch Motorsportchef Toto Wolff hat für den 21-Jährigen stets ein offenes Ohr: "Man sieht nicht unter welchem Druck er steht und dennoch ist er immer für einen da." Über sein Idol, Ayrton Senna, spricht "Luggi" in den höchsten Tönen: "Er ist in meinem Geburtsjahr verunglückt. Aber im Motorsport wirst du früher oder später mit ihm konfrontiert, weil er diese Legende ist. Dieser Mann hat eine Aura – das ist pure Faszination."

Lucas Auer, ein Typ von nebenan, ohne etwaige Star-Allüren, allseits mit einem lockeren Spruch auf den Lippen, beweist, dass ein Rennfahrer, nicht etwa arrogant, eigensinnig oder ein Einzelgänger sein muss, sondern einfach eine richtig coole Socke sein kann.