Wer gewann nach offenherziger Ansage olympisches Gold in Peking? Benjamin Karl – ein Paradeathlet, Perfektionist, gepaart mit einem Hauch an Sturheit und unbändigem Ehrgeiz. Ein Mann, der das Herz auf der Zunge trägt und der keinen Misserfolg scheut. Doch von wegen Jahrhunderttalent seit Anbeginn. Der Parallelboarder avancierte vom Sternchenfahrer zum Fünffach-Weltmeister. Er machte sich in seiner Jugend zuerst als Einzelgänger einen Namen und gibt offen zu, dass er seinen Teil dazu beigetragen hat.

"Der hat doch einen an der Klatsche, habe ich häufig gehört." Er polarisiert und mag es nicht, wenn ihn jeder mögen würde. Der 37-Jährige ist jemand, der sich auf der Piste von anderen abhebt und sich bei vielen Dingen auf sich selbst verlässt. Er weiß um seine Stärken, denn "dabei sein ist alles" war noch nie sein Motto.

Daheim in Lienz sind andere die "Stars". Mit seinen Töchtern Benina (10) und Pia (4) steht Halligalli an der Tagesordnung. "Je wilder, desto besser." Sie "kleben" an ihm, genießen es am Trampolin herumzutollen oder Hamster Pepper zu bespaßen. Um kein "Bad Cop" sein zu wollen, "bringe ich öfters Chaos rein, was mir auch bewusst ist. Je länger ich zu Hause bin, desto besser ist unser Familienauskommen."

"Ich kann es wieder richten, wenn er reinpfuscht", grinst Nina und verdeutlicht, "dass wir Struktur brauchen, da ich oft allein bin. Ich bin definitiv die Strengere." Während Benina Nina gleicht – "da kracht’s auch schon mal, kommt Pia sehr nach mir. Sie hat auch ihre Auszucker, ist aber viel gelassener."

"Eine halbe Frau kann ich bei allem Verständnis nicht sein"

Dass sich in seinem Business viel um ihn dreht und wie er es gerne hätte, kann Nina völlig nachvollziehen. "Er ist so, wie er ist. Doch ohne eine Art Egoismus hätte er es nie so weit gebracht. Ich nehme und liebe ihn so, wie er ist", strahlt die 36-Jährige. "Hartnäckigkeit und Flexibilität sind in meinem Job nötig. Ich habe fixe Geschäftstermine. Das Geld kommt nicht von irgendwo her. Und ja, ich räume auch den Geschirrspüler aus. Aber eine halbe Frau kann ich bei allem Verständnis nicht sein", sagt der Boarder und erklärt ausdrücklich, "dass Nina mich von Beginn an immer verstanden hat und bei Weitem keine Emanze ist".

Seine Frau war sich im Klaren, dass sein Ziel, der langersehnte Olympiasieg, oberste Priorität hat. "Das war unser Deal, dass dem alles untergeordnet wird. Ich bin da gelassen, da ich es vom Papa von klein auf auch kannte", verriet Nina, die Teilzeit als Pädagogin in einem SOS-Kinderdorf tätig ist. "Und ehrlich, bei wem gibt es in einer Beziehung nicht mal Differenzen. Am wichtigsten ist es, dass man sich als Paar nicht vergisst."

"Man lernt nur aus Fehlern"

Der Ausnahmeathlet unterstreicht, dass er Probleme anders löst als Nina. "Ich habe keine Angst, dass meine Kinder einmal versagen, einen Blödsinn machen oder in der Schule schlecht abschneiden. Man lernt nur aus Fehlern." Seine Vorstellung spießt sich mit jener seiner Frau: "Mit meiner Herangehensweise wird sie nicht warm. Sie hätte gern Musterkinder, wo alles perfekt sein soll. Ich denke, dass man nur zu einer starken Persönlichkeit wird, wenn einem nicht alles abgenommen wird."

An das Kennenlernen mit Nina 2007 bei seinem ersten Dolomitenmann kann er sich detailgenau erinnern. "Wir sitzen auf der Moosalm und da stolziert eine Blondine mit Stöckelschuhen daher und ich dachte, 'ja bist du narrisch, da kommt eine daher'." Es war um den Romantiker geschehen, der zu gewissen Anlässen 30 rote Rosen spendiert.

Motiviert bis in die Haarspitzen

Der dreifache Gesamtweltcupsieger, der sich als Nomade mit Reisetaschentick bezeichnet, eröffnete 2020 sein Gym "Athletic Heroes" in Lienz, wo er ein Potpourri an Möglichkeiten zu trainieren vorfindet. Ein Blick in den Spiegel bestätigt, "dass es eine Belohnung für das beinharte Training ist".

Sein Siegeshunger ist längst nicht gestillt. Mit einem zusätzlichen Ausdauercoach will er voll angreifen. "Ich bin motiviert bis in die Haarspitzen. Kann gut sein, dass ich bis Olympia 2026 in Cortina weiterfahre." Ob anschließend die sportliche Rushhour endet?