Island zählt nicht einmal 350.000 Einwohner und ist damit das mit Abstand bevölkerungsärmste Land, das sich je für eine Fußball-Weltmeisterschaft qualifiziert hat. Nachdem das vom ehemaligen Zahnarzt Heimir Hallgrimsson betreute Team vor zwei Jahren in Frankreich erst im EM-Viertelfinale gestoppt worden ist, soll diese Erfolgsgeschichte nun bei der WM-Premiere in Russland fortgesetzt werden.

Bei der EURO 2016 sorgten die Isländer gleich im Auftaktspiel mit einem 1:1 gegen den späteren Europameister Portugal für eine Überraschung. Es folgten ein 1:1 gegen Ungarn sowie ein 2:1-Sieg über Österreich. Im Achtelfinale avancierten Spielmacher Gylfi Sigurdsson und Co. dann mit einem 2:1-Erfolg über Ex-Weltmeister England zum Riesentöter, ehe ein 2:5 gegen Gastgeber Frankreich das Sommermärchen des Außenseiters beendete.

Bei der WM warten in der Gruppe D erneut schwere Brocken: Neben Titelfavorit Argentinien um Superstar Lionel Messi treffen die Isländer auch noch auf die "Super Eagles" aus Nigeria sowie die Kroaten, die Hallgrimssons Mannen bereits in der Qualifikation in die Schranken gewiesen haben. Die Europa-Gruppe I führte am Ende Island vor Kroatien, der Ukraine und der Türkei an.

"Ich habe in einigen ausländischen Zeitungen gelesen, was für ein Pech wir mit unserer WM-Gruppe hätten. Aber das ist genau das, was wir wollen. Wir wollen diese großen Spiele. Wir wollen gegen Argentinien spielen. Was für ein fantastischer Gegner für Islands erstes WM-Spiel aller Zeiten", meinte Mittelfeldspieler Olafur Ingi Skulason mit Blick auf das erste Match am 16. Juni in Moskau.

Auch wenn der um rund 50 Millionen Euro von Everton verpflichtete Sigurdsson ihr mit Abstand teuerster Profi ist, leben die Kicker aus dem Nordatlantik nicht von einem Superstar. Hallgrimsson kann auf einen Kader zurückgreifen, der sich fast ausschließlich aus Legionären zusammensetzt. Viele davon verdienen in Skandinavien ihr Geld, einige haben aber auch längst in europäischen Topligen Fuß gefasst.

Möglich gemacht hat das ein konsequenter Weg in der Ausbildung. Jugendtrainer müssen allesamt eine UEFA-Lizenz vorweisen, um im Nachwuchsbereich überhaupt tätig sein zu dürfen. Dafür werden sie auch ausnahmslos bezahlt. Dazu kommen Investitionen in Fußball-Hallen, um trotz der unwirtlichen Witterungsbedingungen ganzjährig arbeiten zu können. 2002 gab es in Island eine einzige davon, mittlerweile sind es sieben mit Originalspielfeldern. Dazu entstanden in allen größeren Städten des Landes Kunstrasenplätze.

Als Lohn gab es 2011 die erstmalige U21-EM-Teilnahme. Die damaligen Spieler um Sigurdsson, Kapitän Aron Einar Gunnarsson (Cardiff City) und Alfred Finnbogason (FC Augsburg) bilden heute auch das Rückgrat der A-Nationalmannschaft, die über einen einmaligen Teamgeist verfügt. "Wir sind als Gruppe einfach einzigartig", lautet Sigurdssons Standardantwort auf die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis der Isländer, deren Fans ihren eingängigen "Huh"-Schlachtruf nun in Russland erklingen lassen werden.