Am Tag nach dem glorreichen Abschied der Österreichischen Fußball-Nationalmannschaft von der Euro 2020 stand der Teamchef noch immer im Bann dieses Großereignisses. „Ich habe ja schon viel erlebt, aber so eine Europameisterschaft ist schon etwas Außergewöhnliches“, erklärte Franco Foda und meinte den gewaltigen Widerhall auf allen Ebenen. „Die ganze Welt schaut auf dich, diese Dimension war Wahnsinn.“

Nicht zuletzt mit dem Auftritt im Achtelfinale gegen Italien hat sich die ÖFB-Auswahl trotz des Ausscheidens einen Platz im internationalen Rampenlicht gesichert. „Wir haben das Land toll vertreten“, betonte Foda die gestiegene Bedeutung von Österreich als Fußballnation. „Es ist etwas Besonderes, von der Organisation, der Medienpräsenz, die Spiele werden weltweit übertragen.“  Der gute Ruf macht im Gegensatz zu den Einschränkungen für die Euro-Reisenden vor keinen Grenzen halt.

Daher war dieses Turnier auch für den Teamchef eine enorme Bereicherung. „Man lernt im Leben ständig dazu, ich versuche immer, mich weiterzubilden, Dinge aufzusaugen“, meinte Foda, der sich vom Wembley-Stadion besonders beeindruckt zeigte. "Die Infrastruktur, die dort vorhanden ist, ist unfassbar. Wir müssen langsam auch bei uns einmal dorthin kommen. Wir wollen uns immer auf der höchsten Ebene präsentieren, aber in Sachen Infrastruktur sind wir meilenweit davon entfernt." 

Als bedeutendsten Bestandteil sieht der Teamchef die Errichtung eines Kompetenzzentrums mit eigenen Fußballplätzen. Doch von höchster Dringlichkeit sei auch eine neue echte Fußballarena. "Wir brauchen ein Stadion, wo die Nationalmannschaft zu Hause ist, damit wir nicht immer wie die Nomaden herumziehen müssen."  Selbst Bukarest habe Wien längst weiter hinter sich gelassen.

Klaren Plan durchgezogen

Bei der Euro hatte Foda schon von Beginn an einen klaren Plan verfolgt, und dieser wurde konsequent durchgezogen. Die an ihm geübte Kritik, er würde die Spieler zurückhalten, anstatt ihnen die freie Bahn zu ebnen, ließ er abprallen, die Leistungen bestätigten seinen Weg. Er hätte ja nun auch darauf hinweisen können, es all jenen Nörglern gezeigt zu haben, doch in die Rolle des verbalen Racheengels schlüpft Franco Foda nicht. Das verbietet ihm allein schon der Anstand.

Zweifellos sind sämtliche Beteiligten im Verlauf des Turniers gewachsen. Der Nationaltrainer, das Betreuerteam und vor allem die Mannschaft, die einem Reifeprozess unterworfen war, der im herkömmlichen Rhythmus der nur alle paar Monate vorkommenden Qualifikationsspiele niemals in derart geballter Form zu erwerben ist. Dies äußerte sich in einer deutlich erkennbaren Leistungssteigerung von Spiel zu Spiel. Die Nationalkicker haben sich bei dieser EM sukzessive weiterentwickelt. „Sie sind immer stärker bereit, Verantwortung zu übernehmen, ich will die Verantwortung weitergeben.“

Dabei spielte die vom ÖFB durchgestylte Vorbereitung eine mitentscheidende Rolle. "Wir hatten extrem viel Zeit", meinte Foda. Neben den sportlichen Einheiten gab es Teambuilding, die Freizeit wurde mit Grillabenden angereichert, Foda führte intensive Einzelgespräche mit den Spielern. "Der Austausch war viel besser, es war alles entspannter als bei einem normalen Länderspiel-Lehrgang. So haben wir einander noch besser kennengelernt."

Geschichte schreiben

Das österreichische Euro-Projekt war unter das sehr pathetisch klingende Motto gestellt worden, „Geschichte schreiben“ zu wollen. Bis zu einem gewissen Punkt ist das dem Team auch tatsächlich gelungen. Am Ende stand zwar das Aus im Achtelfinale, aber die Darbietung beim 1:2 gegen Italien kann nachhaltige Wirkung erzeugen, nach innen wie nach außen. Der Rest der großen Fußballwelt nimmt Notiz von Österreich, in einer Form, die weit über die sonst üblichen Höflichkeitsfloskeln hinausgeht.

Doch lief das finale Match des rot-weiß-roten Teams auch auf einer emotionalen Achterbahn ab. Foda gestand, vor dem Match nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben. Die Mannschaft habe jedoch an die Möglichkeit eines Erfolgs über „einen der großen EM-Favoriten“, glauben müssen, hielt der Deutsche fest. „Wir sind mit unserer Analyse fast richtig gelegen.“ Der Ablauf ist freilich nicht vorhersehbar, wie das Tor von Marko Arnautovic, das nach minutenlangem Goal-Check mittels VAR wegen einer hauchdünnen Abseitsposition wieder aberkannt worden war. „Ich bin sicher, wir hätten dann dieses Spiel gewonnen.“ Ein paar Zentimeter fehlten zum großen Glück, dem Viertelfinale. Der Teamchef versucht dennoch, sachlich zu bleiben. „Ich bin für den VAR. Im Fußball muss Gerechtigkeit herrschen."

Doch in einer solchen Extremsituation wird auch die Gefühlswelt eines Teamchefs auf eine Härteprobe der außergewöhnlichen Art gestellt. "Die Emotionalität war riesengroß, ich habe nicht dran gedacht, dass es auch einen Videoschiedsrichter gibt. Der vierte Offizielle hat mir gesagt, es wird überprüft, und dann nach der Entscheidung bist du natürlich enttäuscht, betrübt, aber das gehört dazu."

Am Ende der Euro-Reise steht ungeachtet des Ausscheidens der Stolz, das Land der Welt positiv dargestellt zu haben. "Das war die wichtigste Botschaft, dass die Leute eine Identität spüren." Jetzt müssen wir alles  unternehmen, dass wir in der WM-Qualifikation Siege einfahren. Fodas Vertrag läuft mit dieser aus, er verlängert sich aber automatisch im Falle des Erreichens der Endrunde in Katar 2022. Das gilt jetzt auch als das nächste große Ziel.