Heinz Lindner ist vorübergehend nicht mehr Österreichs Nummer eins. Fußball-Teamchef Franco Foda verzichtet nach Rücksprache in den beiden EM-Qualifikationsspielen gegen Lettland (6. September in Salzburg) und in Polen (9. September in Warschau) auf den derzeit vereinslosen Schlussmann. Das ÖFB-Tor hüten wird entweder Cican Stankovic, Pavao Pervan oder der erstmals einberufene Alexander Schlager.

Mit Lukas Hinterseer findet sich zudem ein Rückkehrer im 23-Mann-Kader, den Foda im Wiener Votivkino bekanntgegeben hat. Der HSV-Stürmer ersetzt Schalkes Guido Burgstaller, der am Vortag seinen Rücktritt aus dem Nationalteam verkündet hatte. Einziger Feldspieler aus der heimischen Bundesliga, der es ins Aufgebot geschafft hat, ist Linksverteidiger Andreas Ulmer von Meister Salzburg.

Noch keine Nummer eins

Dazu kommen dessen Klubkollege Stankovic und Debütant Schlager vom LASK. Letzterer habe bei der U21-EM einen "guten Eindruck hinterlassen" und zuletzt auch in Meisterschaft und Champions-League-Qualifikation seine Qualitäten unter Beweis gestellt, begründete Foda seine Wahl.

Wer gegen Lettland im Tor steht, werde sich erst in der kommenden Trainingswoche in Saalfelden zeigen. Dort trifft das ÖFB-Team am Montag zusammen. "Alle drei nominierten Torhüter haben eine Chance", verkündete Foda. Alle drei, inklusive Wolfsburg-Reservist Pervan, verfügen bisher allerdings über keine Länderspiel-Erfahrung - im Gegensatz zu Lindner, der seit 2017 zum Stammpersonal im A-Team zählte.

Lindners Abschied aus der Landesauswahl soll auch nur einer auf Zeit sein. "Er wird auch in Zukunft für unser Nationalteam eine wichtige Rolle spielen", betonte Foda. Nach mehreren Telefonaten sei aber gemeinsam entschieden worden, Lindner für diesen Lehrgang nicht zu nominieren. Der 29-Jährige solle sich stattdessen auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber konzentrieren.

Situation von Lindner ist "verrückt"

"Ich gehe davon aus, dass er einen Verein findet in den nächsten Tagen", sagte Foda über Lindner, der sich nach Vertragsende beim Schweizer Absteiger Grasshoppers Zürich in der Heimat fitgehalten hat. Der Oberösterreicher habe ihm von zwei, drei Klubs berichtet, mit denen er in Kontakt stehe. Dass ein Nationaltorhüter, der "bei Grasshoppers und im Nationalteam immer gute Leistungen gebracht hat", so schwer einen neuen Verein finde, bezeichnete der Teamchef als "verrückt".

Ungleich größer als im Tor sind Fodas Auswahlmöglichkeiten in der Innenverteidigung. Der Deutsche entschied sich wie zuletzt im Juni für die Deutschland-Legionäre Aleksandar Dragovic, Martin Hinteregger, Stefan Posch und Philipp Lienhart. Das Quartett erhielt den Vorzug gegenüber Southamptons Kevin Danso, Österreich-Rückkehrer Maximilian Wöber (Salzburg) oder LASK-Kapitän Gernot Trauner.

Danso und Wöber im U21-Kader

Auch für den unter Foda lange gesetzten Sebastian Prödl, der bei Watford nicht zum Zug kommt, gibt es unter Hinweis auf dessen "schwierige Situation" vorerst keinen Platz. "Hinten wollte ich auf Altbewährtes setzen", erklärte Foda. "Die Innenverteidiger haben bei den letzten Länderspielen einen sehr guten Eindruck hinterlassen." Danso und Wöber stehen im U21-Kader für den Auftakt der EM-Qualifikation in Andorra und Albanien. Auf Trauner könne man "wenn Not am Mann ist" immer ohne Bedenken zurückgreifen, meinte Foda.

Hinterseer im Aufwind

Den Angriff soll Hinterseer beleben. Der 28-Jährige hat bisher zwölf Länderspiele absolviert, zuletzt im November 2016 in einem Test gegen die Slowakei (0:0). Foda nominierte ihn erstmals in seiner Amtszeit. "Er war immer auf unserer Liste. Jetzt hat er nochmal eine Entwicklung nach vorne gemacht", meinte der ÖFB-Coach - etwa im Kombinationsspiel. Foda attestierte Hinterseer "Qualitäten im Strafraum", der Tiroler könne aber auch über den Flügel kommen. "Er ist variabel einsetzbar." Hinterseer ist neben Marko Arnautovic und Michael Gregoritsch der dritte nominelle Stürmer im Kader.

Viele Rücktritte

Burgstaller hatte Foda in einem Telefonat vergangene Woche von seinem Entschluss informiert, dem ÖFB Lebewohl zu sagen. Die Rücktritte von Spielern, die mit 30 Jahren noch mitten in ihrer Karriere stehen, haben sich in den vergangenen Jahren gehäuft - auf Ex-Kapitän Christian Fuchs, Markus Suttner, Zlatko Junuzovic oder Martin Harnik folgte nun Burgstaller. Foda tut es leid, der Teamchef äußerte aber auch ansatzweises Verständnis für die vielen Rücktritte: "Es ist teilweise zu verstehen, weil auch die Belastung extrem hoch ist." Für Fußball-Profis gebe es sehr wenig Freizeit und Zeit zur Erholung.

Arnautovic hat sie vor seinen ersten Länderspielen als China-Legionär zumindest für einige Tage. Der Stürmer von Shanghai SIPG reist nach dem Viertelfinale in der asiatischen Champions League bereits am Mittwoch nach Wien. Foda macht sich um seinen Star keine Sorgen: "Es geht ihm gut." Auch wenn man das Spielniveau in China natürlich nicht mit jenem in England, Arnautovic' vorangegangener Station, vergleichen könne.

Müldür muss sich entscheiden

Im Vergleich zu den Juni-Länderspielen gegen Slowenien (1:0) und Nordmazedonien (4:1) stehen diesmal auch Salzburgs Albert Vallci und Köln-Legionär Louis Schaub nur auf der Abrufliste. Den Kampf um einen weiteren Ex-Rapidler hat der ÖFB laut Foda noch nicht aufgegeben. Der vergangene Woche für kolportierte fünf Millionen Euro zu Sassuolo transferierte Mert Müldür hat im Herbst 2018 zwar bereits zwei Test-Länderspiele für die Türkei bestritten, aber noch kein Bewerbsspiel. Foda führte unlängst ein Telefonat mit dem 20-jährigen Doppelstaatsbürger. "Er muss eine Entscheidung treffen", sagte Foda. "Wir sehen in ihm einen interessanten Spieler mit Entwicklungspotenzial."